I. Arbeitslosenversicherung
1. Wird einem Berufskraftfahrer wegen einer Verkehrsstraftat die Fahrerlaubnis entzogen und kündigt der Arbeitgeber daraufhin das Arbeitsverhältnis, weil er den Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen kann, so war ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Ursache der Arbeitslosigkeit, weswegen grundsätzlich eine Sperrzeit eintreten kann.
Die für eine Sperrzeitverhängung notwendige grobe Fahrlässigkeit des Mitarbeiters bezüglich der Verursachung der Arbeitslosigkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Grund für den Entzug der Fahrerlaubnis eine nur vorsätzlich begehbare Verkehrsstraftat, wie das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, war.
Dass der Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zwingende und unabdingbare Voraussetzung für die Tätigkeit als Taxifahrer ist, ist auch für jeden juristisch nicht gebildeten Laien ohne Weiteres erkennbar. Dass im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich festgehalten ist, dass der Taxifahrer einen Führerschein haben muss, genügt insoweit nicht, um den Vorwurf der grob fahrlässig verursachten Arbeitslosigkeit auszuschließen.
Die Begehung einer vorsätzlichen Verkehrsstraftat, die zum Verlust der für ein Beschäftigungsverhältnis erkennbar notwendigen Fahrerlaubnis führt, kann die Feststellung eines versicherungswidrigen Verhaltens nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in Form der jedenfalls grob fahrlässigen Herbeiführung der Arbeitslosigkeit durch vorsätzliches arbeitsvertragswidriges Verhalten rechtfertigen (Urteil vom 30.09.2019, S 3 AL 6956/18).
Die Beteiligten stritten über die Verhängung einer Sperrzeit wegen versicherungswidrigen Verhaltens des Klägers im Rahmen seiner letzten Beschäftigung.
Der Kläger war zuletzt als Taxifahrer beschäftigt. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Schwäbisch Hall wurde dem Kläger eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort in seinem Privatfahrzeug zur Last gelegt, wobei er vor Verlassen des Unfallorts zunächst abbremste und sich mit einem entschuldigenden Handzeichen an das Unfallopfer wandte, das er in den Straßengraben abgedrängt hatte.
Nachdem der Kläger seinen Einspruch gegen den Strafbefehl alleine auf die Rechtsfolgen beschränkte, wurde er zu einer Gesamtgeldstrafe von 1.000,00 € verurteilt, die Fahrerlaubnis wurde entzogen und d,er Führerschein wurde eingezogen.
Nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger im Hinblick auf seinen Führerscheinverlust kündigte und der Kläger Arbeitslosengeld beantragte, stellte die Beklagte mit dem im Klageverfahren angegriffenen Bescheid den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit sowie die Minderung des Anspruchs um 90 Tage fest. Das Beschäftigungsverhältnis sei vom Arbeitgeber wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers gelöst worden. Das vertragswidrige Verhalten sei darin zu sehen, dass ihm seine Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Der Kläger habe die Fahrerlaubnis zwar nicht während der Ausübung seiner Tätigkeit als Taxifahrer verloren, er müsse als Berufsfahrer jedoch eine besondere Sorgfalt im Straßenverkehr walten lassen.
Der Kläger war der Auffassung, seinen Arbeitsplatz nicht schuldhaft verloren zu haben. Der Arbeitgeber des Klägers unterliege nicht dem Kündigungsschutz. Zudem sei er ohne Tätigkeitsbeschreibung beschäftigt gewesen und sei dort Taxi gefahren. In seinem Arbeitsvertrag sei nicht geregelt gewesen, dass er einen Führerschein haben müsse.
2. Einem Anspruch auf Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 SGB III steht der Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs der Agentur für Arbeit nicht entgegen. Aus dem Wortlaut des § 146 Absatz 1 Satz 1 SGB III geht nicht hervor, dass die Leistungsfortzahlung spätestens mit Ablauf der genehmigten Ortsabwesenheit endet, wenn die Arbeitsunfähigkeit während genehmigter Ortsabwesenheit und während des Zeitraums mit Anspruch auf Leistungsfortzahlung eintritt.
Die Geschäftsanweisung 201607031 der Beklagten ist mit dem Wortlaut des § 146 SGB III nicht vereinbar und führt zu einer Schlechterstellung desjenigen, der während einer genehmigten Ortsabwesenheit arbeitsunfähig wird, gegenüber demjenigen, der während des „normalen“ Leistungsbezugs arbeitsunfähig wird, obwohl die in beiden Fällen fehlende Leistungsfähigkeit des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitslosen einer sofortigen Vermittelbarkeit, welche die Residenzpflicht bezweckt, ohnehin entgegensteht.
§ 146 Absatz 1 Satz 1 1. Alt. SGB III setzt keine Reiseunfähigkeit oder stationäre Behandlung des Arbeitslosen voraus. Dies ergibt sich zum einen schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 146 Absatz Satz 1 SGB III, wonach die erste Alternative der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit im Vergleich zur zweiten Alternative gerade nicht auf eine stationäre Behandlung abstellt.
Arbeitsunfähige Arbeitslose müssen nicht wie gesunde Arbeitslose erreichbar sein und sich im Nahbereich der Agentur für Arbeit aufhalten, da § 146 SGB III auf die Verfügbarkeit für die Leistungszahlung gerade verzichtet (Urteil vom 28.02.2020, S 3 AL 3965/19).
Die Beteiligten stritten darüber, ob dem Kläger Arbeitslosengeld für den Zeitraum einer im Ausland bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zusteht.
Ende Mai 2019 erkundigte sich der im Bezug von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch stehende Kläger für den Zeitraum vom 29.05.2019 bis zum 18.06.2019 nach der Möglichkeit einer Ortsabwesenheit, um diese für eine Reise in die Türkei zu nutzen. Die Ortsabwesenheit wurde ihm von der Beklagten genehmigt. Am 17.06.2019 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass er arbeitsunfähig erkrankt sei. Eine hierüber ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes aus der Türkei vom 17.06.2019 wurde der Beklagten vorgelegt.
Die Beklagte hob die vorangegangene Leistungsbewilligung sodann wegen Wegfalls der Verfügbarkeit auf. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht untergegangen sein könne, da er im maßgeblichen Zeitraum ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und dies auch lückenlos nachgewiesen habe, wurde durch die Beklagte zurückgewiesen.
Zur Begründung führte sie an, dass nach den Geschäftsanweisungen der Beklagten die Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit während genehmigter Ortsabwesenheit mit Ablauf der genehmigten Ortsabwesenheit ende, sofern sich der Versicherte nicht in stationärer Behandlung befinde und deshalb nicht an den Wohnort zurückkehren könne. Insofern habe sich seit Juli 2016 eine Änderung der fachlichen Weisungen zu § 146 Drittes Buch Sozialgesetzbuch ergeben. Die Bewilligung sei wegen fehlender Erreichbarkeit aufzuheben.
3. Bei vollständiger Bewilligung der begehrten Leistungen durch die Beklagte besteht für eine gerichtliche Entscheidung kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Eine erhobene Klage wird unzulässig (Gerichtsbescheid vom 18.11.2019, S 6 AL 2896/19).
Der Kläger begehrte die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Dauer von 240 Tagen statt ursprünglich bewilligter 180 Tage. Nach erfolgsloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erhob er am 01.07.2019 Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Durch Änderungsbescheid vom 03.07.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für 240 Kalendertage. Auf eine Anfrage des Gerichts, darzulegen, welches Interesse noch an einer Weiterführung der Klage bestünde, reagierte der Kläger nicht.
Die Klage wurde als unzulässig abgewiesen. Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung, die bei jeder Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegeben sein muss. Der Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses bedeutet, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat (Anschluss an: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.09.2019, L 3 AS 385/18 m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt unter anderem, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers oder Antragstellers verbessern würde (vergleiche: BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 8 SO 24/10 R). Dies war vorliegend der Fall. Dem Kläger wurde durch Bescheid vom 03.07.2019 Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 240 Kalendertagen bewilligt. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid ist entsprechend abgeändert worden und die begehrten Leistungen wurden vollständig ausgezahlt. Es war danach nicht ersichtlich, welchen Vorteil der Kläger durch eine gerichtliche Entscheidung jetzt oder in Zukunft noch erlangen kann.
4. Im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz sind bis auf Ausnahmefälle, in denen eine bis in die Gegenwart fortwirkende Notlage glaubhaft gemacht wird, keine Leistungen für die Vergangenheit zu gewähren (Beschluss vom 04.06.2019, S 6 AL 1636/20).
Der Antragsteller begehrte am 29.04.2019, die Bundesagentur für Arbeit zu verpflichten, ihm 404,70 Euro an Leistungen auszuzahlen, die ihm für den Monat März nicht gewährt wurden. Wahlweise sei das beigeladene Jobcenter zur Leistung von 404,70 Euro an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat April zu verpflichten.
Der Antrag wurde insgesamt abgelehnt. Sofern der Antragsteller rückwirkend Leistungen für die Zeit vor Einreichen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 29.04.2020 begehrt, konnte der Antrag bereits deshalb keinen Erfolg haben, da Leistungen im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes regelmäßig nur ab Eingang des Antrags bei Gericht und nicht für die Vergangenheit gewährt werden. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eilentscheidung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann bei Leistungen nach dem SGB II in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere, schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (Anschluss an: LSG Baden-Württemberg Beschlüsse vom 25.11.2005, L 13 AS 4106/05 ER-B, vom 23.11.2015, L 7 AS 4389/15 ER-B und vom 23.02.2017, L 9 AS 309/17 ER-B). Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit, also für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens, herbeizuführen, ist, von einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (Anschluss an: LSG Baden-Württemberg vom 24.08.2011, L 13 AS 3195/11). Der Antragsteller konnte nicht glaubhaft machen, dass er in eine in die Gegenwart fortwirkende Notlage geraten sei und ihm unzumutbare Nachteile entstünden, wenn die Leistungen für die Vergangenheit nicht nachgeholt würden. Für die verbleibenden beiden Tage des April konnte der Antragsteller einen Anordnungsgrund ebenfalls nicht belegen. Die sich daraus ergebende negative Abweichung im Hinblick auf den gesamten zu bewilligenden/beantragten Betrag für April liegt in einem Bereich von deutlich unter 20 % und war damit im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht zu berücksichtigen (Anschluss an: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2008, L 7 AS 3031/08 ER-B).
5. Bei der Prüfung des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe aufgrund einer Eigenkündigung befreit der Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung mit dem (ehemaligen) Arbeitgeber den Arbeitslosen nicht von seiner objektiven Beweislast bezüglich des Vorliegens eines wichtigen Grundes nach § 159 Abs. 1 Satz 3 SGB III (Gerichtsbescheid vom 17.01.2020, S 21 AL 4798/19; Berufung zurückgenommen, rechtskräftig).
Der Kläger kündigte sein seit August 2017 bestehendes Arbeitsverhältnis zum 31.08.2019. Im Folgenden meldete er sich bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Als Grund für seine Eigenkündigung gab er an, er habe sich mit seinem Arbeitgeber nicht mehr identifizieren können. Er habe alles Erdenkliche unternommen, um die Gründe zu beseitigen. Eine Vertraulichkeitsvereinbarung der Firma lasse ein Eingehen auf Details nicht zu. Mit Bescheid vom 11.09.2019 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe fest. Der Kläger habe keinen wichtigen Grund für sein Verhalten mitgeteilt. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Hiergegen richtete sich die zum Sozialgericht erhobene Klage. Zur Begründung trug der Kläger vor, es hätten wichtige Gründe für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bestanden. Aus Gründen der Vertraulichkeit dürfe und werde er gegenüber dem Gericht jedoch keine Aussage zu den Gründen treffen. Sofern das Gericht die Gründe erfahren wolle, so möge das Gericht ihn ausdrücklich dazu auffordern und ihm Immunität gegen alle für ihn nachteiligen Folgen bei Verletzung der Geheimhaltungsvereinbarung garantieren.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten über den Eintritt einer Sperrzeit sei nicht zu beanstanden. Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers – die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Eigenkündigung – liege nicht vor. Für das Fehlen eines wichtigen Grundes trage zwar grundsätzlich die Beklagte die Beweislast. Liege der Umstand zur Annahme eines wichtigen Grundes jedoch in der Sphäre des Arbeitslosen, treffe ihn nach der gesetzlichen Regelung des § 159 Abs. 1 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) die objektive Beweislast, d.h. die Nichterweislichkeit eines wichtigen Grundes gehe zu seinen Lasten. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze trage vorliegend der Kläger die Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Die Umstände, die ihn zur Eigenkündigung veranlasst und damit zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geführt hätten, lägen in seiner Sphäre. Vom Vorliegen eines wichtigen Grundes habe sich das Gericht im Hinblick auf die allgemein gehaltenen Angaben des Klägers ohne konkreten Bezug zum kündigungsrelevanten Sachverhalt nicht überzeugen können. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Vertraulichkeitsvereinbarung oder Geheimhaltungsvereinbarung mit dem (ehemaligen) Arbeitgeber. Sofern der Kläger eine derartige Vereinbarung eingehe, die ihm den Nachweis eines wichtigen Grundes unmöglich mache, falle dies in seinen Verantwortungsbereich. Er habe vor Eingehung einer solchen Vereinbarung die damit ggfs. verbundenen (negativen) Folgen abzuwägen. Es erscheine nicht billig, die gesetzlich bestimmte objektive Beweislast des Klägers durch eine von ihm freiwillig eingegangene Vertraulichkeitsvereinbarung auf die Beklagte und demnach auf die Versichertengemeinschaft umzukehren; denn eine solche Beweislastumkehr führe stets zu einer Beweislosigkeit der Beklagten und gehe damit zu Lasten der Versichertengemeinschaft.
II. Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c) SGB II steht einer zusprechenden Entscheidung im Wege der Folgenabwägung im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht entgegen (Beschluss vom 28.08.2019, S 25 AS 3359/19 ER - rechtskräftig).
Die Antragstellerinnen besitzen die italienische Staatsbürgerschaft und reisten im Jahr 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die sich im schulpflichtigen Alter befindliche Antragstellerin zu 2. besucht seit September 2018 eine Schule im Großraum Stuttgart. Im Herbst 2018 ging die Antragstellerin zu 1. einer geringfügigen Beschäftigung auf 450 €-Basis nach. Nachdem den Antragstellerinnen zunächst Leistungen nach dem SGB II bewilligt wurden, wurde der Weiterbewilligungsantrag abgelehnt, da die Antragstellerinnen kein anderes Aufenthaltsrecht in der BRD als ein solches allein zum Zwecke der Arbeitssuche hätten.
Die Kammer verpflichtete den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragstellerinnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen, da die Antragstellerin zu 2. ein Aufenthaltsrecht zum Schulbesuch nach Art. 10 VO (EU) 492/11 und davon abgeleitet auch die Antragstellerin zu 1. als Sorgeberechtigte ein Aufenthaltsrecht habe. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c) SGB II stehe dabei nach Einschätzung der Kammer einer zusprechenden Entscheidung im Wege der Folgenabwägung nicht entgegen. Zwar seien vorliegend die Voraussetzungen dieser Ausschlussnorm ihrem Wortlaut nach gegeben gewesen. Danach sind Ausländer und Ausländerinnen vom Leistungsbezug ausgeschlossen, die ihr Aufenthaltsrecht (wie hier) allein oder neben einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche nach Buchstabe b aus Art. 10 VO (EU) 492/11 ableiten. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass mit gewichtiger Argumentation in Rechtsprechung und Literatur geltend gemacht werde, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c) SGB II gegen das europäische Gemeinschaftsrecht verstoße. Die Rechtsfrage, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c) SGB II mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, sei der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Unter Beachtung des Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, in die insbesondere die grundrechtlich relevanten Belange der Antragstellerinnen einzustellen sei. Aus dem Gebot effektiven Rechtschutzes ergebe sich vorliegend die Verpflichtung, auch entgegen einer gesetzlichen Norm vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, also eine Gesetzesvorschrift nicht anzuwenden.
2. SGB II Bezieher haben weder einen Anspruch auf 200,00 € monatlichen Mehrbedarf für Hygieneartikel und Lebensmittel wegen höherer Lebensmittelpreise noch einen Anspruch auf einen Wäschetrockner aufgrund der Corona-Pandemie (Beschluss vom 06.05.2020, S 15 AS 1315/20 ER, Beschwerde beim Landessozialgericht eingelegt).
Der Antragsteller begehrte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund der Corona-Pandemie u.a. einen monatlichen Mehrbedarf i.H.v. 200,00 € wegen gestiegener Preise für Lebensmittel und Hygieneartikel sowie 590,00 € für einen Wäschetrockner. Zur Begründung führte er aus, dass die vorhandene Trocknungsfläche im Keller für fünf Wohnungen mit 2 qm zum Trocknen nicht ausreichend sei und ein sehr hohes Viren-Übertragungsrisiko darstelle. Er sei Allergiker und habe erhöhte Mengen an Wäsche, weshalb auch ein Trocknen in der Wohnung aufgrund der Schimmelgefahr nicht in Betracht komme. Außerdem seien die Lebensmittelpreise aufgrund der Corona-Pandemie gestiegen. Der Antragsgegner hatte ihm bereits im Verwaltungsverfahren einen Wäscheständer zur Verfügung gestellt.
Das Gericht lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mangels Glaubhaftmachung ab. Der Antragsteller habe nicht ausreichend dargelegt, weshalb das Trocknen der Wäsche in dem vorhandenen Trocknungsraum bzw. durch den gewährten Wäscheständer nicht möglich sei. Dem Gericht erschloss sich insbesondere nicht, wie der Antragssteller bisher seine Wäsche trocknete. In Bezug auf einen Mehrbedarf i.H.v. 200,00 € im Monat habe er nicht glaubhaft gemacht, dass er sich Grundnahrungsmittel und Hygieneartikel nur zu höheren Preisen beschaffen könne. Einen erheblichen Anstieg der Lebensmittelpreise aufgrund der Corona-Pandemie sah das Gericht nicht. Sollte es im Einzelfall zu unvermeidbaren Mehrkosten kommen, lägen diese in einem Bereich von wenigen Euro. Dies sei vom Leistungsberechtigten im Rahmen der pauschalen Betrachtung des Regelbedarfs hinzunehmen. Auch die zusätzlichen Aufwendungen für Hygieneartikel stellten keinen unabweisbaren Mehrbedarf dar, da Aufwendungen für Seife und vergleichbare Reinigungsmittel im Regelbedarf enthalten seien. Die eingeführte Maskenpflicht in Baden-Württemberg führe ebenfalls zu keinem höheren Bedarf, da auch Schals und Tücher hierfür geeignet und erlaubt seien.
3. Ist ein Beteiligter nicht handlungsfähig im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB X, ist der Verwaltungsakt seinem gesetzlichen Vertreter bekannt zu geben. Bei minderjährigen Kindern, die von ihren Eltern gemeinschaftlich vertreten werden, genügt dabei die Bekanntgabe an einen der beiden gesetzlichen Vertreter (Gerichtsbescheid vom 14. Mai 2020, S 15 AS 3744/19, Berufung zum Landessozialgericht eingelegt).
Der Beklagte forderte von der Klägerin 2.049,30 € zurück für Leistungen nach dem SGB II, welche ihrem Vater aufgrund einer mit ihr vorliegenden temporären Bedarfsgemeinschaft erbracht wurden. Die Eltern der Klägerin waren geschieden. Der Vater gab in seinen Bewilligungsanträgen stets an, dass sich seine Tochter zu regelmäßigen Zeiten bei ihm aufhalte. Nachdem der Beklagte Kenntnis davon erlangte, dass die Klägerin ihren Vater nicht mehr besuche, hob er die bewilligten Leistungen auf. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide waren an den Vater der Klägerin adressiert. Die Klägerin erhielt hiervon erst Jahre später zufällig Kenntnis, als ihr Prozessbevollmächtigter diese im Rahmen einer vom Gericht gewährten Akteneinsicht auffand. Einen gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sodann eingelegten Widerspruch wies der Beklagte als verfristet zurück, da die Adressierung und Zustellung rechtmäßig an den Vater als gesetzlichen Vertreter der Klägerin im Rahmen des gemeinsamen Sorgerechtes erfolgt sei.
Das Gericht wies die Klage mangels ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahren als unzulässig ab. Der Widerspruch der Klägerin sei verfristet gewesen. Den Ausführungen der Klägerin, dass ihr die Bescheide erst durch Zufall Jahre später bekannt gegeben worden seien, folgte das Gericht nicht. Das Gericht ging von einer wirksamen Bekanntgabe durch die Adressierung an den Vater aus. Ist ein Beteiligter nicht handlungsfähig im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB X, ist der Verwaltungsakt seinem gesetzlichen Vertreter bekannt zu geben. Bei minderjährigen Kindern, die von ihren Eltern gemeinschaftlich vertreten werden, genüge die Bekanntgabe an einen der beiden gesetzlichen Vertreter (BSG, Urteil vom 13. November 2008, B 14 AS 2/08 R). Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches verträten die Eltern das Kind grundsätzlich gemeinschaftlich. Da die Klägerin im Klageverfahren keine anderweitige Darstellung vorgetragen habe, sei davon auszugehen, dass ihre Eltern das gemeinschaftliche Sorgerecht besäßen und die Bekanntgabe der Bescheide an den Vater ausreichend gewesen sei.
III. Rentenversicherung
1. Beschäftigungszeiten als Ingenieur beim kraftfahrzeugtechnischen Amt (KTA) der DDR sind keine Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech). Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte.
Das KTA der DDR war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder ein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) vom 25.07.1991 (Urteil vom 16.03.2020, S 17 R 3838/17).
Der Kläger hat keine Anwartschaft auf Versorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem erworben. Denn er hätte am 30.06.1990 keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. Er war an diesem Stichtag nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesem gleichgestellten Betrieb beschäftigt, so dass der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG nicht eröffnet ist. Beim KTA der DDR handelte es sich weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch um einen gleichgestellten Betrieb. Aufgabe des KTA war, die Sicherung des wirtschaftlichsten Betriebs des gesamten Kraftfahrzeugparkes der DDR und die Vereinheitlichung des Schätzwesens. Damit war das KTA kein Produktionsbetrieb, denn Hauptgegenstand der Tätigkeit des Amtes waren die Abnahme und Prüfung von Kraftfahrzeugen und Motoren. Der Zweck war eindeutig nicht auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet.
Das KTA war auch kein einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellter Betrieb. Den volkseigenen Betrieben gleichgestellt waren: wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien.
Entgegen der Ansicht des Klägers handelte es sich beim KTA auch nicht um eine Hauptverwaltung. Denn aus einer historischen und teleologischen Auslegung folgt, dass es keine Notwendigkeit gab, das KTA in die 2. Durchführungsbestimmung der AVItech aufzunehmen. Geschichtlicher Hintergrund der Schaffung der Zusatzversorgungssysteme war der starke personelle Aderlass der DDR, insbesondere bei hochqualifizierten Fachkräften, Ende der 40er/Anfang der 50er Jahre. Die Liste der den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellten Betriebe nach der 2. Durchführungsbestimmung der AVItech ist anschließend nicht mehr aktualisiert worden. Dies war nach dem Mauerbau im Jahre 1961 schon deshalb nicht notwendig, weil die durch sie geförderten Fachkräfte nicht mehr in den Westen fliehen konnten und der Staat deshalb keine Anreize für einen Verbleib in der DDR mehr benötigte. Da die 2. Durchführungsbestimmung der AVItech somit den Zustand der DDR-Volkswirtschaft Anfang der 50er Jahre widerspiegelte, erfasste sie keine neueren Entwicklungen und damit auch nicht das KTA.
2. Ohne einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für mindestens 150 Tage besteht kein Anspruch auf einen Existenzgründungszuschuss für den Betrieb einer „fish-spa“ als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (Gerichtsbescheid vom 07.04.2020, S 17 R 3900/18).
Der Klägerin begehrte von der beklagten Rentenversicherung einen Existenzgründungszuschuss für den Betrieb einer „fish-spa“ als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Andere Teilhabeleistungen lehnte sie ausdrücklich ab. Eine Auslegung des Antrags der vertretenen Klägerin dahingehend, dass irgendeine geeignete Teilhabeleistung begehrt wird, war aufgrund des ausdrücklich geäußerten, entgegenstehenden Willens der Klägerin nicht möglich.
Die Klägerin erfüllte bereits die Voraussetzungen für den begehrten Existenzgründungszuschuss nach § 49 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX nicht. Denn nach der gesetzlichen Begründung wurde die Formulierung in § 49 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX geändert, um einen Gleichklang mit den vorhergehenden Nummern zu bekommen (Verweis allgemein auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung), ohne dabei konkret auf einzelne Vorschriften im Recht der Arbeitsförderung nach dem SGB III Bezug zu nehmen. Ansonsten entspricht die jetzige Fassung dem Rechtszustand des § 33 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX aus dem Jahr 2001. Das bedeutet, dass obwohl der Gründungszuschuss nach § 93 SGB III nicht mehr genannt wird (zuvor Rechtsgrundverweisung), doch inhaltlich weiterhin auf ihn abgestellt wird. Da damit für eine Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 49 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX weiterhin die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss nach § 93 SGB III erfüllt sein müssen, erfüllt die Klägerin die Voraussetzung von § 93 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB III nicht. Denn sie hatte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für mindestens 150 Tage.
3. Eine nachgewiesene Beschäftigung lässt nicht auch automatisch eine Entrichtung von Beiträgen glaubhaft machen, denn beides sind getrennt voneinander zu prüfende Tatbestandsmerkmale. Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit stattgehabter Beitragsentrichtung nicht fingiert werden (Urteil vom 25.06.2020, S 25 R 2582/17, noch nicht rechtskräftig).
Die Beteiligten stritten um die Anerkennung von Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung. Für die streitgegenständliche Zeit von 16 Monaten trug der Kläger vor, in einem Transportunternehmen beschäftigt gewesen zu sein. Es sei ihm lediglich der Nettolohn ausgezahlt worden. In den fraglichen Zeiten erfolgte durch den ehemaligen Arbeitsgeber des Klägers keine Meldung zur Krankenkasse. Schriftliche Nachweise für eine Auszahlung des Nettolohns an den Kläger lagen desgleichen nicht vor.
Die Kammer wies die auf Vormerkung der streitgegenständlichen Zeiten als Beschäftigungszeiten gerichtete Klage ab. Grundsätzlich müssten Beitragszeiten im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Nach § 199 Satz 1 SGB VI werde bei Beschäftigungszeiten, die den Trägern der Rentenversicherung ordnungsgemäß gemeldet worden sind, vermutet, dass während dieser Zeiten ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit dem gemeldeten Arbeitsentgelt bestanden hat und der Beitrag dafür wirksam gezahlt worden ist. Mangels nachvollziehbarer Meldung der streitbefangenen Zeiten habe diese Vermutung nicht im Sinne des Klägers herangezogen werden können. Aber auch Beweiserleichterungen, wie die ledigliche Glaubhaftmachung (d.h. das Vorliegen der geltend gemachten Tatsache ist überwiegend wahrscheinlich, vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X), hätten der Klage nicht zum Erfolg verhelfen können. Machen Versicherte glaubhaft, dass der auf sie entfallende Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden sei, so gelte der Beitrag als gezahlt (§ 203 Abs. 2 SGB VI). Dabei sei jedoch zu beachten, dass eine nachgewiesene Beschäftigung nicht auch eine Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden ließe, beides seien getrennt voneinander zu prüfende Tatbestandsmerkmale.
Ein Anspruch des Klägers auf Vormerkung der streitgegenständlichen Zeiten als Beitragszeit ergab sich für die Kammer auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Kammer erkannte vorliegend keine Verletzung einer der Beklagten aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht. Darüber hinaus könne jedoch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit Beitragsentrichtung ohnehin nicht fingiert werden.
4. Die allgemeinen Abgrenzungsmaßstäbe gelten auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit als Steuerberater, unbeschadet dessen, dass der Steuerberater ein unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege und Angehöriger eines freien Berufs ist. Die Tätigkeit des Steuerberaters kann sowohl in selbständiger Form als auch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden (vgl. §§ 32, 58 StBerG).
Übernimmt eine Steuerberaterin nach dem zugrundeliegenden Beratervertrag weisungsfrei und eigenverantwortlich Mandate, ist nicht in den Betrieb der Steuerkanzlei eingegliedert und erhält keinen festen Stundenlohn, sondern eine reine Umsatzbeteiligung, liegt eine selbstständige Tätigkeit vor (S 24 BA 6242/18, Urteil vom 16.01.2020).
Zwischen den Beteiligten stand in einem Verfahren nach § 7 a SGB IV der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Steuerberaterin bei einer beigeladenen Steuerkanzlei im Streit.
Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin selbstständig tätig war. Ein Weisungsrecht der Beigeladenen gegenüber der Klägerin war nach dem zugrundliegenden „Beratervertrag“ ausgeschlossen; eine einseitige Zuweisung von Mandanten erfolgte nicht. Die Klägerin war bei Übernahme eines Auftrags die direkte Ansprechpartnerin der Mandanten und bearbeitete den Fall bis zum Erstellen der Steuererklärung eigenverantwortlich und ohne zeitliche Vorgabe. In den Betrieb der Beigeladenen war sie nicht eingegliedert, sondern hielt sich in deren Kanzlei allenfalls zur Abholung oder Abgabe von Aufträgen auf. Die Arbeit erledigte sie zumeist in ihrem mit EDV, Rechenmaschine, Fachliteratur und Telefon ausgestatteten eigenen Büro. Da die Klägerin ausschließlich mit 60 % am erzielten Umsatz beteiligt wurde, war auch die Vergütung nicht arbeitnehmertypisch, sondern beinhaltete sowohl das Risiko der Klägerin, einen Vergütungsausfall zu erleiden, als auch die Chance, durch effizientes und schnelles Arbeiten sowie Annahme vieler Aufträge die Vergütung zu maximieren.
5. Keine Rente wegen Erwerbsminderung erhält, wessen Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich qualitativ für bestimmte Tätigkeiten, nicht aber quantitativ auf weniger als sechs Stunden täglich eingeschränkt ist (Urteil vom 10.12.2019, S 22 R 6202/17, Berufung anhängig).
Die 1978 geborene Klägerin bezog seit Oktober 2015 eine befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Ihren Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte der beklagte Träger der gesetzlichen Rentenversicherung ab. Die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zwar mindestens drei Stunden täglich, nicht aber mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Sie sei daher nicht voll, sondern nur teilweise erwerbsgemindert. Gegen die Ablehnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erhob die Klägerin vor dem Sozialgericht Stuttgart Klage. Sie hielt sich für erwerbsgemindert, da sie jeden Tag überall Schmerzen habe.
Die Kammer hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert. Die bestehende chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren schränke ihr Leistungsvermögen nur qualitativ ein. Es seien ihr nur noch körperliche Tätigkeiten ohne längeres Stehen und Gehen, ohne Heben von Lasten über 10 kg, ohne Arbeiten in Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und ohne Nachtschicht zumutbar. Eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die diesen qualitativen Einschränkungen Rechnung trage, könne die Klägerin dagegen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Das Risiko, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich einen solchen Arbeitsplatz zu erhalten, sei nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern von der Arbeitslosenversicherung zu tragen. Für eine Erwerbsminderungsrente komme es nur darauf an, ob eine vollschichtige Tätigkeit zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts möglich sei.
Gegen eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens der Klägerin sprächen erstens die erhobenen psychischen Untersuchungsbefunde. Zweitens zeigten der strukturierte Tagesablauf und die Freizeitgestaltung der Klägerin ihre fortdauernde Fähigkeit zum Zeitmanagement, ihre vorhandenen sozialen und Alltagskompetenzen sowie die erfolgreiche Ausübung ihrer Führungs- und Kontrollfunktion. Die festgestellten Aktivitäten des täglichen Lebens wichen deutlich von den Einschränkungen ab, die aufgrund der von der Klägerin als ausgeprägt beschriebenen Beschwerden zu erwarten wären. Drittens spreche die fehlende Therapie der psychiatrischen Gesundheitsstörungen der Klägerin gegen eine dauerhafte Einschränkung ihres beruflichen Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden pro Tag. Ein multimodales Schmerztherapieprogramm gelte als nicht umgesetzt. Die geringe schmerztherapeutische Behandlungsfrequenz spreche gegen das Vorliegen dauerhaft nicht zu bewältigender Schmerzzustände. Die Klägerin habe bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Psychotherapie unternommen. Die von der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptete wöchentliche Verhaltenstherapie reiche mit Blick darauf, dass diese Therapie erst vor kurzer Zeit begonnen worden sei, nicht aus, um die Kammer davon überzeugen zu können, dass eine Besserung der Beschwerden in absehbarer Zeit durch das Erlernen von Bewältigungsstrategien ausgeschlossen sei. Auch medikamentös sei die Klägerin nicht austherapiert. Der Verzicht der Klägerin auf ein konsequentes Ausschöpfen aller Therapiemöglichkeiten zeige, dass ihre Schmerzen ein solches Ausmaß hätten, dass sie auch ohne entsprechende ärztliche, therapeutische und medikamentöse Eingriffe im Alltag ausgehalten und bewältigt werden könnten.
6. Bei der Tätigkeit als Nageldesigner, die nicht in einem eigenen Nagelstudio ausgeübt wird, handelt es sich aufgrund der Eingliederung in die Betriebsabläufe um eine sozialversicherungspflichtige, nicht um eine selbstständige Tätigkeit. An dieser Bewertung ändert auch insbesondere eine monatliche Mietzahlung für den Arbeitsplatz nebst Gerätschaften nichts (Urteil vom 30.10.2019, S 7 R 1197/17).
Die Klägerin war Betreiberin eines Nagelstudios in einem Einkaufszentrum. Dort war u.a. der Beigeladene als Nageldesigner tätig. Die Klägerin stellte dem Beigeladenen für eine monatliche Mietzahlung von 200 Euro einen Arbeitsplatz nebst eines Trocknungsgerätes zur Verfügung. Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen die von der beklagten Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung erhobene Beitragsnachforderung nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 7.871,49 Euro hinsichtlich des Beigeladenen. Die Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Beigeladenen eine abhängige Beschäftigung darstelle und zu einer Versicherungspflicht führe.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Tätigkeit als Nageldesigner sei grundsätzlich im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder einer Selbstständigkeit denkbar. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände überwögen im vorliegenden Fall die Merkmale, die für eine abhängige versicherungspflichtige Tätigkeit sprächen. Die Miete eines Arbeitsplatzes in Form eines Stuhles könne nicht zu einer Selbstständigkeit führen. Der Beigeladene sei vielmehr wirtschaftlich abhängig von der Klägerin gewesen, für die er allein tätig war. Dabei sei er räumlich und zeitlich in die Betriebsabläufe eingebunden gewesen. Dass er hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit nicht weisungsgebunden gewesen sei, liege in der Natur der Sache, da der Kunde dem Nageldesigner seine Wünsche mitteile, die dieser umsetze.
7. Ein Versicherter hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für einen elektronischen Postwagen (sog. E-Trolley) als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn eine vorrangige Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, Gefährdungen bei der manuellen Handhabung von Lasten zu vermeiden. Es ist nicht Aufgabe der Rentenversicherung, eine mangelnde Grundausstattung des Arbeitsplatzes auszugleichen (Grichtsbescheid vom 31.01.2020, S 7 R 6998/17).
Der Kläger ist als Postbote in der Poststelle eines Unternehmens tätig, seit er die ursprüngliche Tätigkeit aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden nicht mehr ausüben konnte. Zu seinen täglichen Aufgaben gehören die Verteilung der eingegangenen Post sowie zugleich das Einsammeln von Post auf einer von drei verschiedenen Routen, die sich der Kläger mit zwei weiteren Beschäftigten teilt. Dem Kläger sowie den weiteren Beschäftigten werden hierfür Postwagen zur Verfügung gestellt, die allein mit Muskelkraft bewegt werden. Das Eigengewicht der Postwagen beträgt 14,70 kg. Je nach Route beträgt das Gewicht bei halbvoller Beladung zwischen 52,5 kg und 70 kg. Bei voller Beladung steigt das Gesamtgewicht auf bis zum Doppelten dieser Beträge an.
Der Kläger begehrte die Kostenübernahme für einen elektronischen Postwagen, sog. E-Trolley, durch die beklagte Rentenversicherung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme ab. Dies begründete sie damit, dass für spezielle Hilfsmittel zum Heben und Tragen schwerer Lasten bei der Arbeit vorrangig der Arbeitgeber zuständig sei.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bestehe nicht. Diese umfassten grundsätzlich auch die Kosten für erforderliche Hilfsmittel, es sei denn, es bestehe eine Verpflichtung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber sei für eine ausreichende, d.h. nicht gesundheitsgefährdende Ausstattung der bei ihm bestehenden Arbeitsplätze zuständig. Es sei nicht Aufgabe der Rentenversicherung, eine mangelnde Grundausstattung des Arbeitsplatzes auszugleichen. Im Fall des Klägers sei von einer vorrangigen Leistungspflicht des Arbeitgebers auszugehen. Er habe dafür Sorge zu tragen, dass Gefährdungen der Gesundheit und Sicherheit bei der manuellen Handhabung von Lasten vermieden werden. Solche Gefahren bestünden hinsichtlich der Nutzung des vorhandenen Postwagens, wie sich aus der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes ergebe. Die Beschaffung elektrischer Postwagen sei als Maßnahme des Arbeitsschutzes erforderlich und durch den Arbeitgeber, nicht aber die beklagte Rentenversicherung zu erbringen.
8. Aus Rumänien angeworbene Betreuungskräfte, die an private Haushalte vermittelt werden, können bei der Firma, die die Vermittlung vornimmt, abhängig beschäftigt sein (Urteil vom 20.02.2020, S 20 R 1628/15, Berufung anhängig).
Die Beteiligten stritten um die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.
Der Kläger führte im streitbefangenen Zeitraum eine Firma, die unter dem Namen „Agentur für Personalvermittlung“ rumänische Haushaltshilfen an deutsche Haushalte vermittelte. In diesem Zusammenhang schaltete der Kläger Anzeigen in Lokalzeitungen, wonach man sich bei einem entsprechenden Betreuungsbedarf an ihn wenden könne. Nachdem ein solcher Bedarf bei dem Kläger angemeldet worden war, warb der Kläger in Rumänien Haushaltshilfen an und vermittelte diese an die Haushalte zur Betreuung alter oder kranker Menschen. Der Kläger kümmerte sich um die Anreise der Haushaltshilfen, die hinsichtlich der Reisekosten zunächst in Vorleistung treten mussten. Mit den zu Betreuenden schloss der Kläger Verträge, die als „Personalvermittlungsvertrag über die Erbringung häuslicher Betreuung“ bezeichnet wurden.
Die beklagte Rentenversicherung erhob nach einer Betriebsprüfung beim Kläger eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 58.089,23 €.
Das Gericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen und kam zu dem Ergebnis, dass die rumänischen Haushaltshilfen bei dem Kläger sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien. Zwar seien zwischen dem Kläger und den Haushaltshilfen keine schriftlichen Verträge abgeschlossen worden. Die maßgeblichen Vertragsbedingungen seien jedoch zwischen der Personalvermittlungsagentur und den Kunden formularmäßig festgeschrieben worden. Die Haushaltshilfen hätten damit auf die das Arbeitsverhältnis prägenden Vertragsbedingungen keinen maßgeblichen Einfluss nehmen können. Sie hatten keine Möglichkeit Art, Inhalt, Ausmaß, Zeit oder Ort der von ihnen zu erbringenden Leistungen eigenverantwortlich zu gestalten. So seien die wesentlichen Vertragsbedingungen nicht etwa im Anschluss an die Vermittlungstätigkeit zwischen den Kunden und den Haushaltshilfen frei ausgehandelt worden. Vielmehr erhielten die Haushaltshilfen auf der Grundlage der in der Regel auf drei Monate befristeten Verträge einen festen Monatslohn, wobei der Kläger die Höhe des Lohns sowie die Vertragslaufzeit festlegte und anschließend mit seinen Kunden formularmäßig vereinbarte. In der Drittwirkung der „Personalvermittlungsverträge“ der Agentur erblickte die Kammer jedoch einen Umstand, aus welchem sich letztlich auch ein Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und den Haushaltshilfen ableiten lasse, welches im Rahmen der mündlichen Kontaktaufnahme mit den Haushaltshilfen umrissen und sodann während der Vertragsabwicklung konkretisiert wurde. Der vertraglich festgeschriebenen Verpflichtung des Klägers gegenüber seinen Kunden habe dabei die vertragliche Verpflichtung der Haushaltshilfen gegenüber dem Kläger entsprochen.
Das für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis typische Weisungsrecht des Arbeitgebers finde sich in der seitens der Kunden aktenkundig bezeugten (mündlichen) Vereinbarung zwischen dem Kläger und den Kunden, wonach sich der Kläger dazu bereit erklärt habe, auch die „Schlichtung“ bei Problemen des Alltags und bei Unklarheiten des mit der zu betreuenden Personen geschlossenen Dienstvertrages vorzunehmen. Diese Vertragspraxis lasse sich bei lebensnaher Betrachtung jedoch nur dann effizient umsetzen, wenn der Kläger im Rahmen der Schlichtung einseitig verbindliche Regelungen gegenüber den Haushaltshilfen habe treffen und diese zur Einhaltung ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber den Haushalten habe anhalten können. Auch wenn die Haushaltshilfen vorliegend nicht unmittelbar in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen seien, habe der Kläger damit die rechtliche Verantwortung für die zu erbringende Dienstleistung der Haushaltshilfen gegenüber seinen Kunden getragen und sich zur Gewährleistung entsprechende Weisungsrechte gegenüber den Haushaltshilfen vorbehalten.
9. Wird eine Rehabilitationsmaßnahme (hier: Kinder-Reha) abgebrochen und nimmt die Begleitperson nach Abbruch der Reha-Maßnahme ihre Berufstätigkeit für die Dauer der eigentlichen Reha-Maßnahme nicht wieder auf, besteht für die Zeit nach dem Abbruch der Maßnahme kein Anspruch auf Verdienstausfall (Urteil vom 29.11.2019, S 21 R 2373/18; Berufung zurückgewiesen: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.04.2020, L 2 R 4295/19).
Dem minderjährigen Kind der Klägerin war seitens der beklagten Rentenversicherung eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme bewilligt worden. Am 01.08.2017 traten die Klägerin – als Begleitperson – und das Kind die Maßnahme an. Aufgrund unhaltbarer Umstände – so die Klägerin – reisten sie jedoch bereits am Abend des 01.08.2017 wieder ab. In der Folge gewährte die Beklagte der Klägerin Verdienstausfall für den 01.08.2017; für die Zeit danach lehnte sie einen Anspruch ab. Hiergegen richtete sich die zum Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage. Zur Begründung trug die Klägerin vor, sie habe nach Abbruch der Rehamaßnahme keine Möglichkeit der Kinderbetreuung gehabt. Sie habe daher zuhause bleiben und unbezahlten Urlaub nehmen müssen. Die Gründe für den Abbruch der Reha-Maßnahme – Baustellenlärm, unzureichende Bettenversorgung – seien der Beklagten zuzurechnen. Sie mache daher einen Anspruch auf Verdienstausfall für die Zeit nach dem 01.08.2017 geltend.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Verdienstausfall für die Zeit nach dem 01.08.2017 bestehe nicht. Voraussetzung für den geltend gemachten Verdienstausfall sei, dass dieser durch die Teilnahme an der gewährten Maßnahme verursacht werde. Als akzessorische Leistung entstehe ein Anspruch auf Verdienstausfall nur soweit der abzugeltende Verdienstausfall durch eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation kausal bedingt sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. In der Zeit nach dem 01.08.2017 sei keine Rehabilitationsmaßnahme erbracht worden. Ein Anspruch auf den begehrten Verdienstausfall bestehe auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Ungeachtet der Tatsache, dass bereits ein Beratungsfehler der Beklagten nicht zu erkennen sei, könne die für den Anspruch erforderliche Teilnahme an einer Reha-Maßnahme als Begleitperson als Begebenheit tatsächlicher Art nicht durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln hergestellt werden und sei damit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht zugänglich. Soweit das klägerische Begehren als Anspruch auf Schadenersatz wegen Amtspflichtverletzung der Beklagten auszulegen sei, falle dies nicht in die Zuständigkeit der Sozialgerichte.
IV. Gesetzliche Krankenversicherung
1. Nach dem im Bereich der häuslichen Krankenpflege von § 132a Abs. 4 SGB V normierten Konfliktlösungsmodell wird der Schiedsperson als von den Vertragspartnern bestimmter Schlichter bzw. Vertragshelfer die Befugnis eingeräumt, die Leistung (z.B. Vergütung oder Preise) oder eine Leistungsmodalität (z.B. Beginn oder Ende der Laufzeit des Vertrags) zu bestimmen und so den Vertragsinhalt rechtsgestaltend zu ergänzen. Hingegen geht es nicht darum, dass die Schiedsperson Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale für die Vertragspartner verbindlich feststellt.
Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke i.S.d. § 132a Abs. 4 SGB V festsetzen, sondern nur punktuell – etwa bei der Höhe der Vergütung – nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden (Urteil vom 02.06.2020, S 18 KR 4297/16).
Die Beteiligten stritten über eine durch einen Schiedsspruch einer Schiedsperson festgesetzte Vergütung für eine von der Beklagten durchgeführte Dauerbeatmung an einer Versicherten der Klägerin. Zwischen den Beteiligten bestand kein Versorgungsvertrag nach § 132a Abs. 4 SGB V, sodass nach gescheiterter Einigung eine Schiedsperson angerufen wurde. Diese setzte durch Schiedsspruch für den Einzelfall lediglich die Zahlung einer der Höhe nach bestimmten Gesamtvergütung für die Dauerbeatmung fest. Gegen diesen Schiedsspruch erhob die Klägerin Klage, mit der sie die offensichtliche Unbilligkeit des Schiedsspruchs geltend machte und dessen Aufhebung bzw. Ersetzung begehrte.
Das Gericht hat festgestellt, dass nach Sinn und Zweck von § 132a Abs. 4 SGB V und mit Blick auf den der Schiedsperson eingeräumten Gestaltungsspielraum der Schiedsspruch unwirksam sei, da im Rahmen des Schiedsverfahrens nach § 132a Abs. 4 SGB V kein reiner (konkreter) Leistungstenor, sondern ein (abstrakter) Versorgungsvertrag (oder die Ergänzung eines solchen, falls bereits vorhanden) auszuwerfen sei. Ein Vertragsgesamtwerk zu gestalten, wenn eine vertragliche Grundlage zwischen den Beteiligten gänzlich fehle und auch eine ausreichende Tatsachengrundlage nicht vorliege, sei nicht Aufgabe der Gerichte, vielmehr sei erneut ein Schiedsverfahren durchzuführen.
2. Voraussetzung für einen Anspruch auf Haushaltshilfe gem. § 24h SGB V ist das Vorliegen eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen Schwangerschaft oder Entbindung und Unmöglichkeit der Weiterführung des Haushalts (Gerichtsbescheid vom 04.05.2020, S 18 KR 4504/17, Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt).
Die Beteiligten stritten über die Übernahme von Kosten für eine Haushaltshilfe. Die Klägerin hatte im Januar Zwillinge geboren und beantragte bei der Beklagten im April aufgrund eines inzwischen diagnostizierten schweren Erschöpfungszustandes die Gewährung einer Haushaltshilfe.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Der Umstand, den Haushalt nach der Entbindung nicht führen zu können, müsse „unmittelbare Entbindungsfolge“ sein, also gesundheitliche Folge. Die Klägerin sei nicht „wegen der Entbindung“ nicht mehr in der Lage gewesen, den Haushalt zu führen, sondern wegen der erschwerten Betreuungssituation.
3. Im einstweiligen Rechtsschutz sind nur diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung einer aktuellen Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistung in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann davon eine Ausnahme gemacht werden. Ist ein besonderer Nachholbedarf nicht glaubhaft gemacht, so ist die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz in einem solchen Fall zu versagen (Beschluss vom 07.05.2020, S 23 KR 1288/20 - rechtskräftig).
Die Antragstellerin begehrte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die (vorläufige) Fortzahlung von Krankengeld für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum.
Das Gericht hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Werden Leistungen für die Vergangenheit begehrt, bestehe grundsätzlich bereits kein Anordnungsgrund. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sollten nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, d.h. gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich seien. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen sei deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirke und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedrohe, könne von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden. Hierzu müssten die Tatsachen für einen besonderen Nachholbedarf glaubhaft gemacht werden. Daran fehle es vorliegend. Die Antragstellerin habe einen besonderen Nachholbedarf trotz Hinweis des Gerichtes nicht glaubhaft gemacht und entsprechende Nachweise nicht vorgelegt.
4. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind nach § 34 Abs. 1 SGB V von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. Ausnahmsweise ist deren Verordnung zulässig, wenn diese bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Dazu ist notwendig, dass der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (Gerichtsbescheid vom 22.04.2020, S 23 KR 5199/19, rechtskräftig).
Die Klägerin beantragte im November 2018 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Versorgung mit diversen, nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und Homöopathika. Aufgrund vieler Erkrankungen und multipler Allergien sei sie auf alternative Medizin angewiesen. Die Beklagte beauftrage den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit einem Gutachten nach Aktenlage und lehnte gestützt hierauf den Antrag der Klägerin ab. Bei sämtlichen beantragten Präparaten handele es sich um nicht verschreibungspflichtige apothekenpflichtige Medikamente, welche nach § 34 SGB V von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien. Der Hiergegen erhobene Widerspruch der Klägerin wurde nach erneuter Anhörung des MDK zurückgewiesen.
Die Kammer hat die Klage nach schriftlicher Vernehmung der Hausärztin der Klägerin als sachverständige Zeugin abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Kostenübernahme der begehrten Arzneimittel. Zwar gehöre zum Krankenbehandlungsanspruch der Versicherten gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V auch der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln, allerdings seien durch § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen. Eine Ausnahmeregelung greife nicht ein. § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V gebe dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) auf, in Richtlinien festzulegen, welche nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen ausnahmsweise verordnet werden könnten (sog OTC-Ausnahmeliste).
Nachdem keines der streitgegenständlichen Arzneimittel in der OTC-Liste aufgeführt werde und es sich auch um keine Standardtherapeutika zur Behandlung von schwerwiegenden Erkrankungen handele, es vielmehr im Wesentlichen um Arzneimittel zur Behandlung von Schmerzen, Kreislaufbeschwerden, Venenbeschwerden, Allergien und Harnblaseninfekten gehe, komme ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten nicht in Betracht. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung bestünden nicht. Die Krankenkassen seien verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar sei; zumutbare Eigenleistungen könnten verlangt werden. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien in aller Regel zu einem geringeren Preis verfügbar, sodass es den Versicherten grundsätzlich zumutbar sei, diese als Eigenleistung zu tragen.
5. Ein Anspruch auf die Sachleistung der Präimplantationsdiagnostik besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der nunmehr durch § 2 Abs. 1 a SGB V umgesetzten sog. „Nikolaus-Rechtsprechung“ (Gerichtsbescheid vom 03.04.2020, S 28 KR 1051/19).
Die Kläger sind beide homozygote Träger der detektierten ASS1-Veränderung. Bedingt durch diese genetische Disposition besteht ein Risiko für Nachkommen der Kläger, an einer Stoffwechselerkrankung des Harnstoffzyklus mit schwerem Krankheitsbild und hoher Mortalität zu erkranken. Da beide Eltern Träger der ASS1-Veränderung sind, erkranken Nachkommen der Kläger mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent an dieser Krankheit. Die Kläger beantragten bei der Beklagten die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik (PID) als Sachleistung. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Hiergegen richtete sich die zum Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage, im Rahmen welcher sich die Kläger unter anderem auf die sog. „Nikolaus-Rechtsprechung“ stützten.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf die gewünschte Leistung ergebe sich nicht aus § 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Die Kläger seien zwar Träger der Krankheit Citrullinämie Typ I, jedoch sei die PID keine auf die Besserung oder Behebung dieses Zustandes gerichtete Behandlung. Die PID ziele als Maßnahme nicht auf die Heilung oder Linderung dieses Leidens ab, sondern solle vielmehr dazu dienen, den Ausbruch einer zukünftigen Krankheit bei einem zukünftigen Nachkommen der Kläger zu verhindern. Einem Anspruch aus § 27 a SGB V, welcher den Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung regele, stehe entgegen, dass die PID keine solche Maßnahme sei. Zweck der PID sei gerade nicht die Überwindung von Unfruchtbarkeit und die Herbeiführung einer Schwangerschaft. Etwas Anderes ergebe sich schließlich auch nicht aus § 2 Abs. 1 a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Norm könne hier schon deshalb keine Anwendung finden, weil keine Krankheit der Kläger behandelt werden solle. Insofern könne auch nicht auf die hypothetische Erkrankung des potenziellen Nachkommen abgestellt werden, da im Präimplantationsstadium der Embryo nicht als Versicherter oder Leistungsberechtigter angesehen werden könne. Darüber hinaus solle § 2 Abs. 1 a SGB V die Heilungschancen bei lebensbedrohlichen Krankheiten erhöhen. Es müsse eine Aussicht auf Heilung oder eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen. Demgegenüber diene die PID der Untersuchung und der Auslese von künstlich befruchteten Eizellen.
6. Die Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber auf Anmeldung zur Sozialversicherung und Entrichtung entsprechender Beiträge ist unzulässig, da bei Streitigkeiten über das Bestehen der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht auf Grund von Beschäftigungsverhältnissen ausschließlich die Einzugsstelle richtige Klagegegnerin ist (Gerichtsbescheid vom 29.11.2019, S 19 KR 2794/17, rechtskräftig).
Der Kläger begehrte von seiner ehemaligen Arbeitgeberin die Anmeldung zur Sozialversicherung sowie die Entrichtung entsprechender Beiträge für verschiedene Zeiträume in den Jahren 2016 bis 2017. Der Kläger vertrat die Ansicht, in den streitigen Zeiträumen durchgängig bei der Beklagten gearbeitet zu haben, was diese bestritt.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Der Sozialrechtsweg sei zwar eröffnet, da öffentlich-rechtliche Vorschriften aus dem Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) (§ 28a SGB IV iVm. der gemäß § 28c SGB IV erlassenen Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV)) für die Prüfung der erhobenen Ansprüche des Klägers maßgeblich seien. Es mangele jedoch an einem Rechtsschutzinteresse. Bei Streitigkeiten über das Bestehen der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht auf Grund von Beschäftigungsverhältnissen sei ausschließlich die Einzugsstelle (hier: AOK Baden-Württemberg) richtige Klagegegnerin. Diese entscheide gemäß § 28 h Abs. 2 SGB IV durch Verwaltungsakt bei Zweifeln oder Streit. Da diese Regelung zwingend und abschließend sei, sei eine gegen den früheren Arbeitgeber gerichtete Verpflichtungsklage auf Abgabe einer berichtigten Meldung und auf Zahlung von Beiträgen an die Einzugsstelle bzw. eine Feststellungsklage auf Bestehen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung unzulässig. Der versicherte Arbeitnehmer könne das Beitragseinzugsverfahren durch einen Antrag bei der Einzugsstelle einleiten und, wenn es erfolglos bleibe, in einem Rechtsstreit gegen die Einzugsstelle, zu dem der Arbeitgeber und der Rentenversicherungsträger beizuladen wären, die Verpflichtung zum Beitragseinzug klären lassen. Dies gelte auch, wenn – wie hier – die Frage der tatsächlichen Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten und somit dessen Versicherungspflicht als Arbeitnehmer streitig sei.
7. Die versehentliche Auszahlung von Krankengeld durch eine Krankenkasse begründet keinen klägerischen Anspruch auf ein solches, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für dessen Entstehen gem. § 46 SGB V nicht vorliegen (Gerichtsbescheid vom 8.09.2019, S 19 KR 566/18, Berufung anhängig).
Als Mitglied der Beklagten gem. § 192 Nr. 2 SGB V begehrte die Klägerin die weitere Gewährung von Krankengeld. Durch Bescheid vom 25. September 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Bezug von Krankengeld aufgrund einer verspäteten Feststellung ihrer Arbeitsunfähigkeit am 02.09.2017 ende. Gleichwohl zahlte die Beklagte der Klägerin mit Zahlungsanweisung vom 22.10.2017 einen Krankengeldbetrag in Höhe von 1.798,93 EUR für den Zeitraum vom 05.09.2017 bis zum 05.10.2017 aus. Mit Schreiben vom 23 10. 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ihr aus Versehen und ohne Rechtsgrundlage durch Zahlungsanweisung vom 22.10.2017 zu viel Krankengeld für den Zeitraum vom 05.09.2017 bis zum 05.10.2017 ausgezahlt habe. Das überzahlte Krankengeld belaufe sich auf insgesamt 1798,93 EUR. Dieser Betrag werde von der Klägerin zurückgefordert.
Das Gericht wies die Klage ab. Zur Überzeugung der Kammer habe eine Unterbrechung des Krankengeldanspruches der Klägerin wegen einer verspäteten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und somit die Beendigung der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten vorgelegen. Die versehentliche Krankengeldzahlung der Beklagten im Oktober 2017 führe nicht zu einem Entstehen des Krankengeldanspruches der Klägerin. Es handele sich aufgrund des Versehens der Beklagten bei der Auszahlung bereits nicht um eine Regelung mit potentieller Rechtsfolge. Aufgrund des vorher an die Klägerin ergangenen Ablehnungsbescheides habe die Klägerin die Auszahlung auch nicht als konkludente Bewilligung verstehen können. In der Auszahlung sei auch keine Aufhebung dieser Ablehnungsentscheidung aus September gem. §§ 44 SGB X zu sehen. Aufgrund der zur Überzeugung des Gerichts vorliegenden verspäteten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit habe die Klägerin keinen Anspruch auf Krankengeld und somit mangele es an den Voraussetzungen einer Aufhebung bzw. Rücknahme im Sinne der §§ 44 SGB X.
V. Schwerbehindertenrecht
1. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne von Teil B Nummer 3.7 der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung setzt eine engmaschige psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung voraus (Gerichtsbescheid vom 2.1.2020, S 22 SB 2980/15, Berufung anhängig).
Der 1970 geborene Kläger hatte seit dem Jahr 2008 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40. Im September 2014 beantragte er die Erhöhung des GdB auf 80. Zur Begründung berief er sich auf die schon seit 2008 bestehenden Gesundheitsstörungen eines chronischen Schmerzsyndroms und einer depressiver Verstimmung. Der Antrag des Klägers hatte weder im Verwaltungsverfahren vor dem Versorgungsamt, noch im Widerspruchsverfahren vor dem Landesversorgungsamt Erfolg.
Die Kammer hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Maßstab für die Feststellung des GdB sei die Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung. Nach Teil B Nummer 3.7 VG seien leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Teil-GdB von 0 bis 20 zu bewerten. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) rechtfertigten einen GdB von 30-40. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit setze nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg eine engmaschige psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung voraus. Daran fehle es hier. Der Kläger sei nur etwa alle zwei Monate fachpsychiatrisch behandelt worden. Dies genüge nicht den Anforderungen an eine engmaschige Psychotherapie. Der Kläger empfinde den Leidensdruck auf psychiatrischem Fachgebiet als nicht so stark, als dass er ihn nicht ohne engmaschige Psychotherapie bewältigen könne. Unabhängig davon seien der strukturierte Tagesablauf und die Freizeitgestaltung des Klägers Ausdruck seiner fortdauernden Fähigkeit zum Zeitmanagement, seiner erhaltenen sozialen und Alltagskompetenzen sowie der erfolgreichen Ausübung seiner Führungs- und Kontrollfunktion. Schließlich zeige der psychische Befund keine Beeinträchtigung der Integrität der psychischen Funktionen des Klägers.
2. Für die Gewährung eines GdB von 50 für eine Diabeteserkrankung muss ein Antragsteller zusätzlich zu dem erhöhten Therapieaufwand durch erhebliche Einschnitte gravierend in seiner Lebensführung beeinträchtigt sein. Diese Voraussetzung ist nicht immer dann schon erfüllt, wenn ein entsprechender Therapieaufwand vorliegt, sondern es handelt sich dabei nach den Vorgaben von Teil B Ziffer 15.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze um eine zusätzliche Voraussetzung (Gerichtsbescheid vom 29.01.2020, S 9 SB 1486/19).
Der Kläger begehrte im vorliegenden Verfahren die Verurteilung des beklagten Landes, bei ihm einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Neben Beeinträchtigungen der Psyche war vor allem die Bewertung seiner Diabeteserkrankung zwischen den Beteiligten umstritten.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Zwar seien die Voraussetzungen für einen GdB von 50 bei Diabetes insoweit erfüllt, dass täglich mindestens vier Insulininjektionen und die selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung erforderlich seien. Eine über den Therapieaufwand hinausgehende gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte lasse sich aber nicht feststellen. Der Kläger werde durch die Anforderungen an seine Diabetestherapie in seiner Spontaneität und auch Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Gleichzeitig gehe er aber seiner Berufstätigkeit nach, fahre in den Urlaub und treibe nach eigenen Angaben Sport. Bei einer Gesamtbetrachtung der unterschiedlichen Lebensbereiche komme das Gericht deshalb zu der Überzeugung, dass insgesamt noch keine gravierenden Einschränkungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erkennbar seien, die eine Erhöhung des GdB für Diabetes auf 50 rechtfertigten.
VI. Sozialhilfe
1. Testamentarisch angeordnete Zuwendungen aus einem sog. Behindertentestament können der Gewährung eines Barbetrages im Rahmen einer stationären Unterbringung entgegenstehen (Urteil vom 05.06.2019, S 11 SO 4131/17).
Der Kläger ist aufgrund seiner Behinderung seit Jahren vollstationär in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe untergebracht. Die Beklagte gewährte ihm zunächst auch den Barbetrag gem. § 27b Abs. 2, 3 SGB XII. Nachdem die Mutter des Klägers verstorben war, erhielt der Kläger aus dem Erbe seiner verstorbenen Mutter testamentarisch angeordnete Zuwendungen (im Rahmen eine sog. Behindertentestaments). Insgesamt erhielt er pro Jahr Zuwendungen in Höhe von ca. 1.400 € für Taschengeld, Urlaubsreisen, Besuche von Verwandten und Ausflüge. Mit streitgegenständlichem Bescheid lehnte die Beklagte dann eine weitere Gewährung des Barbetrags ab mit der Begründung, dass die Zuwendungen aus dem Behindertentestament ebenso wie der Barbetrag dazu gedacht seien, den gesamten notwendigen Lebensunterhalt zu decken. Zwischen dem Barbetrag und den Zuwendungen aus dem Erbe der Mutter bestehe folglich eine Zweckidentität.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Zweck des Barbetrags nach § 27b Abs. 2, 3 SGB XII sei insbesondere die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zudem seien auch Bedarfe aus den Bedarfsgruppen Körperpflege, Reinigung oder Instandsetzung von Kleidung sowie für die Beschaffung von Wäsche und Hausrat von geringem Anschaffungswert durch den Barbetrag zu decken. Es liege daher eine Zweckidentität zwischen dem Barbetrag und den Zuwendungen aus dem Behindertentestament vor, sodass der Gewährung des Barbetrags der Nachranggrundsatz aus § 2 Abs. 1 SGB XII entgegenstehe. Da die Zuwendungen aus dem Behindertentestament über dem Barbetrag lagen, sei dieser Bedarf in Gänze weggefallen. Auch die Konstruktion als Behindertentestament ändere hieran nichts. Mit einem solchen Testament gestalten die Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie mit einer konkreten Verwaltungsanweisung verbundenen Dauertestamentsvollstreckung derart, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, die Sozialhilfeträger darauf aber nicht zurückgreifen können. Ein solches Testament ist nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung nicht sittenwidrig, sondern Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus. Auch ist nach der sozialrechtlichen Rechtsprechung ein der dauerhaften Testamentsvollstreckung unterliegender Nachlass kein verwertbares Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII. Grund hierfür ist, dass der Leistungsberechtigte bei der Einsetzung als Vorerbe bei Anordnung der Testamentsvollstreckung der Verfügungsbeschränkung des § 2211 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unterliegt, wonach über einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand der Erbe nicht verfügen kann. Vorliegend ging es nach Ansicht des Gerichts nicht um die Konstellation, dass die Beklagte eine Bedürftigkeit verneint habe, weil in der Erbschaft ein berücksichtigungsfähiges Vermögen vorhanden ist. Stattdessen seien die Zuwendungen durch den Betreuer tatsächlich getätigt worden, sodass es alleine darauf ankomme, ob die Sozialhilfe wegen der tatsächlichen Zuwendungen gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII insoweit zurückzutreten habe. Auf das Nachlassvermögen als solches greife der Sozialhilfeträger weiterhin nicht zurück.
2. Ein Anspruch auf Kostenerstattung hinsichtlich der Vergütung eines Gebärdensprachdolmetschers im Rahmen einer Teilhabeleistung besteht nur, sofern diese Form der Teilhabeleistung gegenüber zumutbaren Alternativen keine unverhältnismäßigen Kosten verursacht.
Die Wahrnehmung einer Ausbildung in einem von dem jetzigen Wohnort 700 Kilometer entfernten Ort stellt eine zumutbare Alternative dar (Gerichtsbescheid vom 17.05.2020, S 28 SO 3662/17).
Die Beteiligten stritten über die Kostenerstattung der Vergütung eines im Rahmen der Ausbildung der Klägerin eingesetzten Gebärdensprachdolmetschers.
Die Klägerin ist gehörlos und plante eine Ausbildung zur Altenpflegerin zu absolvieren. Aus diesem Grund beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers. Der Klägerin stand ein Ausbildungsplatz in einem Berufsbildungswerk (BBW) in H. zur Verfügung, welches diese Ausbildung für Gehörlose anbietet. Der finanzielle Mehraufwand, der im Verhältnis zu der Ausbildung in dem BBW in H. mit der von der Klägerin gewünschten Ausbildung in der Regelschule – über die Ausbildungszeit von drei Jahren gesehen – einherging, lag bei etwa 64.000,00 Euro oder auch 56 Prozent. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Die Klägerin begann die Ausbildung in einer Regelschule und setzte dort einen Gebärdensprachdolmetscher ein, dessen Dienstleistungen sie selbst bezahlte.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII solle der Sozialhilfeträger Wünschen der Leistungsempfänger nicht entsprechen, sofern diese mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wären. Die Kosten für die von der Klägerin gewählte Ausbildung überstiegen die Kosten der Alternative wesentlich. Das BBW in H. sei für die konkrete Situation der Klägerin auch besser auf deren Bedarfssituation zugeschnitten, da die von der Klägerin ausgewählte Regelschule nach eigenen Angaben keinerlei Erfahrung mit der Beschulung und Inklusion gehörloser Menschen habe. Des Weiteren bestünden auch keine Erfahrungsen hinsichtlich des Einsatzes eines Dolmetschers. Dahingegen habe das BBW in H. bereits Erfahrungen, die Pädagogen seien entsprechend qualifiziert. Zu der von der Klägerin gewünschten Option der Beschulung in einer Regelschule unter Zuhilfenahme von Gebärdensprachdolmetschern existierte auch eine gleichermaßen geeignete Alternative, welche der Klägerin auch tatsächlich zur Verfügung gestanden habe. Es handele sich um eine von der Bundesagentur für Arbeit zertifizierte Ausbildung. Auch bestehe in gleichem Maße die Möglichkeit, Weiterbildungsmaßnahmen wahrzunehmen. Die Alternative in Form der Beschulung in dem BBW in H. sei der Klägerin zumutbar. Die Lage in einem anderen Bundesland und die Notwendigkeit der Aufgabe des bisherigen Lebensmittelpunktes durch die Klägerin stünden dem nicht entgegen. Auch anderen Studierenden werde zugemutet, sich während der Präsenzphasen an einem teilweise weit entfernten Ort aufzuhalten. Des Weiteren hätte dies nur die Theoriephasen betroffen. Die Praxisphasen hätte die Klägerin weiterhin an ihrem bisherigen Wohnort absolvieren und verbringen können, so dass innerhalb der drei Jahre lediglich während der 60 Wochen Theorieunterricht der Aufenthalt in H. notwendig gewesen wäre.
3. Vorläufige Gewährung einer Einzelbeförderung für Fahrten zwischen dem Wohnsitz und dem Arbeitsplatz als Leistung der Eingliederungshilfe (Beschluss vom 20.12.2019, S 16 SO 4868/19 ER).
Die Antragstellerin, bei der ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B und H festgestellt sind und bei der eine angeborene Fehlbildung des zentralen Nervensystems (Meningomyelozele) mit Hirnwasserstau, Chiari II-Fehlbildung und Verformung der Wirbelsäule (Skoliose) besteht, begehrte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Einzelbeförderung für die Fahrten zwischen ihrem Wohnsitz und ihrem Arbeitsplatz für die von dem Antragsgegner abgelehnten Wochentage (Dienstag, Mittwoch und Donnerstag).
Aufgrund ihrer Erkrankung bestehen bei der Antragstellerin sowohl eine Lähmung im Bereich der Beine als auch eine neurogene Blasen- und Darmlähmung, die die Benutzung eines Rollstuhls und die regelmäßige Katheterisierung der Blase (5x täglich; 1,5 Stunden nach dem Frühstück und dann in 5-stündigen Abständen) unter sterilen Bedingungen, um einen Harnaufstau in den Nieren mit dem hohen Risiko von Harnwegsentzündungen und weiteren Nierenschädigungen zu vermeiden, sowie eine Darmentleerung erforderlich machen.
Der Antragsgegner, der in der Vergangenheit u.a. die Kosten für eine Einzelbeförderung zwischen der Wohnung der Antragstellerin und ihrem Arbeitsplatz übernahm, gewährte nach einem Umzug der Antragstellerin, durch den sich der Fahrtweg verlängerte, lediglich noch Fahrtkosten für eine Einzelbeförderung an zwei Tagen in der Woche.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hatte wegen der andernfalls der Antragstellerin bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel drohenden Gesundheitsgefahren vollumfänglich Erfolg.
4. Zur „Kündigung“ eines im Wege der Sozialhilfe gewährten Darlehens: Die Form der Rückabwicklung eines Darlehens seitens des Leistungsträgers richtet sich nach der Form der Darlehensgewährung (hier: durch Verwaltungsakt) (Urteil vom 24.09.2019, S 16 SO 603/19).
Mit seiner Klage wandte sich der Kläger, Alleinerbe seiner verstorbenen Eltern, gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem der Beklagte ein der verstorbenen Mutter des Klägers gewährtes Darlehen kündigte.
Die verstorbene Mutter des Klägers erhielt in der Vergangenheit von dem Beklagten Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme von ungedeckten Restkosten der vollstationären Pflege nach § 61 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Form eines Darlehens nach § 91 SGB XII. Die Darlehensgewährung erfolgte vor dem Hintergrund, dass die verstorbenen Eltern des Klägers Eigentümer einer zuletzt von dem Vater des Klägers bewohnten Eigentumswohnung waren, deren Wert nach den Ermittlungen des Beklagten den sozialhilferechtlich angemessenen Verkehrswert überschritt.
Mit streitgegenständlichen Bescheid in der Gestalt des entsprechenden Widerspruchsbescheids, der u.a. mit „Kündigung des Darlehens“ überschrieben war und eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, kündigte der Beklagte gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger und Erbe seiner verstorbenen Mutter das dieser gewährte Darlehen. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Der angefochtene Bescheid stelle zwar keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Der Beklagte habe die Entscheidung jedoch in der äußeren Form eines Verwaltungsakts (formeller Verwaltungsakt) erlassen, der sich als rechtswidrig erweise und aufzuheben sei.
Die Kündigung des Darlehens stelle keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X dar. Einer Kündigung habe es vorliegend auch nicht bedurft. Hinsichtlich des der Mutter des Klägers gewährten Darlehens sei kein Darlehensvertrag geschlossen worden. Vorliegend habe der Beklagte zulässigerweise das Darlehen in Form eines Verwaltungsaktes gewährt. Die Rechtsnatur des Rückzahlungsanspruchs und der Rechtsweg für Streitigkeiten über sein Bestehen und seine Höhe hingen jedoch von der Form ab, in der das Darlehen gewährt worden sei. Da die Darlehensgewährung vorliegend in Form eines Verwaltungsakts erfolgt sei, müsse die Rückforderung ebenfalls in Form eines Verwaltungsakts erfolgen. Selbst wenn man nicht von dem Vorliegen eines Formverwaltungsaktes ausginge, erweise sich der angegriffene Bescheid jedenfalls als unbestimmt.
VII. Gesetzliche Unfallversicherung
1. Hat sich ein Versicherter bei einem Arbeitsunfall lediglich eine Quetschverletzung am linken Kleinfinger zugezogen, so kann in der Regel allein anhand der unfallrechtlichen Literatur entschieden werden, dass hieraus kein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente entstehen kann, da hierdurch keine MdE von wenigstens 20 v. H. bedingt wird. Der Einholung eines Gutachtens bedarf es dazu nicht (Urteil vom 17. Januar 2020, S 10 U 3187/18-).
2. Die Störung des Schlaf-Wach-Rythmusses vom Typ „Non-24“ stellt keine „Wie“-Berufskrankheit dar (§ 9 Abs. 2 SGB VII), da sie nicht durch besondere Einwirkungen am Arbeitsplatz verursacht wird, sofern der Versicherte keinen Schichtdienst zu verrichten hat und die Schlafstörungen bereits in der Schulzeit vorhanden waren (Urteil vom 17. Januar 2020, S 10 U 605/18).
3. Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als Folge eines Arbeitsunfalls ist auch gegeben, wenn sich die psychische Störung durch eine Serie von traumatischen Einwirkungen entwickelt und sich die Einwirkungen einer Arbeitsschicht von den übrigen so abheben, dass ihnen eine eigenständige wesentliche Bedeutung für den eingetretenen Schaden zukommt.
Ausnahmsweise liegt auch dann ein Unfall vor, wenn sich eine von mehreren, nacheinander in verschiedenen Arbeitsschichten den Versicherten treffenden Einwirkungen, die zu der Schädigung führen, aus der Gesamtheit der Einwirkungen derart hervorhebt, dass sie nicht nur die Letzte mehrerer gleichwertiger Einwirkungen bildet. Dies ist dann der Fall, wenn dieser Einwirkung eine gleichsam eigenständige wesentliche Bedeutung für den eingetretenen Schaden zukommt (Urteil vom 14.6.2019, S 1 U 1827/17, nicht rechtskräftig).
Der Kläger befand sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Zugchef in einem ICE, als es im Bahnhof L zu einem tödlichen Personenunfall kam und eine Frau und ein Mann von dem ICE erfasst und getötet wurden. Durchgangsärztlich wurde beim Kläger ein psychischer Ausnahmezustand diagnostiziert. Gegenüber seiner Psychotherapeutin gab der Kläger unter anderem an, dass er sich nach dem Unfall um die Fahrgäste und den Lokführer gekümmert habe, ebenso um deren Evakuierung. Er sei dabei mit Blut, Fleischfetzen und Leichenteilen konfrontiert worden. Die konsultierte Bahnpsychologin empfahl daraufhin eine ambulante Psychotherapie, die von der beklagten Unfallversicherung für 30 Sitzungen genehmigt wurde. Es wurde eine akute Belastungsreaktion diagnostiziert. Der Kläger arbeitete in der Folgezeit nur noch als Zugbegleiter und nicht mehr als Zugchef, da er sich der hohen Verantwortung als Zugchef nicht gewachsen fühlte.
Mit Bescheid bejahte die Beklagte aufgrund des Ereignisses einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Zur Begründung bejahte sie als unfallbedingt eine akute Belastungsreaktion, eine Arbeitsunfähigkeit von 5 Tagen sowie eine Behandlungsbedürftigkeit von 10 Monaten. Darüber hinaus lehnte sie einen Anspruch auf Leistungen ab.
Auf den dagegen durch die Bevollmächtigten des Klägers erhobenen Widerspruch holte die Beklagte bei Dr. B eine beratungsärztliche Stellungnahme ein. Der Kläger könne keineswegs als unfallunabhängig völlig unbelastet angesehen werden. Zumindest habe er in der Folge des Todes seiner Mutter unter einer depressiven Symptomatik gelitten. Auch sei seine Kindheit durch den Alkoholismus der Eltern, die sich getrennt hätten, als er 11 Jahre alt gewesen sei, geprägt gewesen. Deshalb bestünden mit Sicherheit Persönlichkeitsmerkmale, aus denen zumindest eine erhöhte Vulnerabilität resultiere. Es sei beim Kläger zu einer Verschiebung der Wesensgrundlage gekommen. Anzuerkennen als Unfallfolge sei eine akute Belastungssituation mit einer protrahierten mehrmonatigen Angstsymptomatik auf dem Boden einer vermehrt vulnerablen Übersprungspersönlichkeit. Gestützt darauf wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Im Klageverfahren hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie eines testpsychologischen Zusatzgutachtens. Aufgrund der persönlichen Untersuchung des Klägers sowie der testpsychologischen Zusatzbegutachtung am selben ist ermittelt worden, dass beim Kläger eine PTBS zu diagnostizieren ist. Um die Diagnose zu begründen, sind die Diagnosekriterien des DSM-5genutzt worden, weil diese genauer und präziser die Symptomatik der PTBS mit ihren einzelnen Facetten beleuchteten, als das in der ICD-10 der Fall sei. Zunächst müsse eindeutig das A-Kriterium (Traumakriterium) für den streitgegenständlichen Unfall bejaht werden. Dieses sei dann erfüllt, wenn man mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt auf eine oder mehrere Arten konfrontiert werde, entweder durch das direkte Erleben eines traumatischen Ereignisses oder das persönliche Erleben eines solchen bei einer anderen Person. Im Fall des Klägers sei Letzteres erfüllt, ebenso die wiederholte oder extreme Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren derartigen traumatischen Erlebnissen, wie z. B. bei Ersthelfern, die menschliche Leichenteile aufsammeln müssten
Beim Kläger seien jedoch auch die weiteren Kriterien für die Diagnose einer PTBS erfüllt. Unter dem B-Kriterium werde gefordert, dass es zu Intrusionen, die auf das oder die traumatischen Ereignisse bezogen seien, komme, das heiße, wiederkehrende, unwillkürlich sich aufdrängende belastende Erinnerungen an das traumatische Ereignis. Intensive und anhaltende psychische Belastungen bei der Konfrontation mit inneren oder äußeren Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisierten. Dies entspreche genau der Reaktion, die der Kläger schildere, wenn er wieder einer Notbremsung im Zug ausgesetzt worden sei und sich eine heftige, sowohl psychische als auch körperliche Reaktion einstelle. Das Kriterium der anhaltenden Vermeidung von Reizen, die mit dem oder den traumatischen Ereignissen verbunden seien, werde beim Kläger durch die Tatsache erfüllt, dass er die verantwortliche Position des Zugchefs nicht mehr ausüben könne und trotz vieler Versuche diese Tätigkeit wiederaufzunehmen, dies vermeide.
Auch das weitere Kriterium negativer Veränderungen von Kognition und Stimmung im Zusammenhang mit dem Erinnern des traumatischen Ereignisses liege vor. So beschreibe der Kläger sehr gut, dass er sich einerseits selbst die Schuld daran zuschreibe, er wäre verantwortlich gewesen und zum anderen, dass es immer wieder negative emotionale Zustände wie Furcht, Entsetzen, Wut, Schuld oder Scham gebe, wenn er nach einem Dienst, in dem er mit Erinnerungen konfrontiert werde, in Tränen ausbreche.
Das weitere Kriterium einer Veränderung des Erregungsniveaus und der Reaktivität im Zusammenhang mit dem oder den traumatischen Ereignissen liege beim Kläger ebenfalls vor. Dieser berichte von Reizbarkeit, Wutausbrüchen, riskantem und selbstzerstörerischem Verhalten, wenn er als Mitreisender Menschen sehe, die nicht genug Abstand zum einfahrenden Zug hielten und diese dann deshalb anschreie.
Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben und einen weiteren Anspruch auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bejaht. Die Kammer ist aufgrund des von ihr eingeholten Gutachtens sowie des testpsychologischen Zusatzgutachtens zum Ergebnis gelangt, dass beim Kläger durch das Unfallereignis eine PTBS verursacht worden ist.
Nach den Diagnosekriterien der PTBS unter Anwendung des ICD-10 oder des DSM-5 wird als Auslöser ein traumatisches Ereignis von besonderer Qualität mit einem extremen Belastungsfaktor verlangt. Dabei erweist sich das Ereignis, das diese Symptomatik hervorruft, als generell belastend. Es wird im Einzelfall mit intensiver Angst, Schrecken oder Hilflosigkeit erlebt. Als Stressoren kommen in Betracht: ernsthafte Bedrohung oder Schädigung der eigenen körperlichen Integrität, Erleben eines Unfalls bzw. Todes Anderer. Charakteristische Merkmale für die PTBS sind ungewolltes Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Träumen und Gedanken (Nachhallerinnerungen bzw. Intrusionen), Vermeiden von Situationen, die an das Ereignis erinnern, Ängste oder Phobien, Einschränkung der emotionalen Reagibilität sowie anhaltende Symptome eines erhöhten Erregungsniveaus wie Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Schreckreaktionen. Dabei kann sich die PTBS unmittelbar nach dem Trauma entwickeln. Die Symptome zeigen sich mit einer Latenz von maximal 6 Monaten (nach ICD-10). Der akute Verlauf dauert im Allgemeinen weniger als 3 Monate, danach spricht man von einer chronischen PTBS. Bei extremer Traumatisierung kann sich langfristig eine andauernde Persönlichkeitsänderung entwickeln.
Nach DSM 5 kann die Diagnose einer PTBS auch gestellt werden, wenn sich die psychische Störung durch eine Serie von traumatischen Einwirkungen entwickelt. Diese Traumaklassifikation ist jedoch nicht kompatibel mit dem Begriff des Arbeitsunfalls, der eine psychische oder physische Einwirkung während einer Arbeitsschicht verlangt.
Das Tatbestandsmerkmal „zeitlich begrenzt“ wird in § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nicht näher bestimmt. Dem Vorschlag einer zeitlichen Grenze von einer Woche ist der Gesetzgeber nicht gefolgt, weshalb die Grenze weiterhin bei Einwirkungen höchstens innerhalb einer Arbeitsschicht liegt (BSG, Urteil vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, Fundstelle Juris). Grundsätzlich erfüllt die Gesamtheit mehrerer, auf einen längeren Zeitraum als eine Arbeitsschicht verteilter äußerer Einwirkungen nicht den Unfallbegriff, sondern kann unfallversicherungsrechtlich nur unter dem Gesichtspunkt einer Berufskrankheit (§ 9 SGB VII) relevant sein. Ein Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII liegt aber ausnahmsweise dann vor, wenn sich die Einwirkungen in einer Arbeitsschicht von den übrigen so abheben, dass ihnen eine eigenständige wesentliche Bedeutung für den eingetretenen Schaden zukommt (Hauck/Noftz SGB VII, § 8 Rz. 12b, m. w. N.). Dies ist auch dann anzunehmen, wenn sich eine von mehreren, nacheinander in verschiedenen Arbeitsschichten den Versicherten treffenden Einwirkungen, die zu der Schädigung führen, aus der Gesamtheit der Einwirkungen derart hervorhebt, dass sie nicht nur die Letzte mehrerer gleichwertiger Einwirkungen bildet. Dies ist dann der Fall, wenn dieser Einwirkung eine gleichsam eigenständige wesentliche Bedeutung für den eingetretenen Schaden zukommt (vgl. Köhler, Sozialgerichtsbarkeit 2014, S. 69/78, 76).
Diese Voraussetzungen hat die Kammer bejaht. Der Kläger habe anamnestisch glaubhaft und überzeugend geschildert, dass gerade das letzte Ereignis im ICE für ihn besonders und herausragend belastend gewesen sei und dieses auf der Grundlage seiner gesamten Berufstätigkeit und damit einhergehender psychischer Belastungen mit verschiedenen früheren traumatischen Erlebnissen, eine besondere Bedeutung habe. Dies werde von Dr. B in seinem Gerichtsgutachten ausführlich dargestellt und begründet.
Das Gericht folgt dieser Begründung und macht sie sich zu eigen. Die dazu von Dr. B getroffenen Feststellungen legt die Kammer ihrer Entscheidung ebenfalls zugrunde.
Die Kammer ist mit Dr. B zur Auffassung gelangt, dass für die psychischen Gesundheitsstörungen beim Kläger, wie sie bei ihm in Form der PTBS vorliegen, letztverantwortlich und herausragend das Unfallereignis im ICE ist.
Insoweit spielten die außerberuflichen psychischen Belastungen des Klägers im Elternhaus keine entscheidende Rolle. Auch die von der Beklagten angenommene Vulnerabilität führe bei Wahrunterstellung nicht dazu, dass diese als konkurrierende Ursache das Unfallereignis in den Hintergrund dränge. Die Vulnerabilität (sie bezeichnet in der Psychologie die Verwundbarkeit eines Menschen gegenüber negativen Einflüssen) sei für die Kammer keine nachgewiesene Schadensanlage, wobei sich der haftungsbegründende Zusammenhang zwischen einer Schadensanlage und dem Unfallereignis auch nach der Theorie der wesentlichen Bedingung beurteilen würde. Dabei wäre dann zu beachten, dass nach dem Schutzzweck der Norm in der gesetzlichen Unfallversicherung der Versicherte in dem Zustand geschützt werde, in dem er sich im Zeitpunkt des Unfallereignisses befinde. Ausgangspunkt für die Ursachenbewertung im Einzelfall sei deshalb stets der konkrete Versicherte mit seiner ggf. bestehenden Krankheitsanlage und seinen Vorerkrankungen. Damit ergebe sich aus dieser Vermutung keine Bestätigung der Entscheidung der Beklagten.
4. Der Kläger hat keinen versicherten Arbeitsunfall erlitten, als er am Morgen nach einer betrieblichen Weihnachtsfeier, die in einer Weinstube stattfand, in den nur 200 Meter entfernten Betriebsräumen auf dem Weg zur Toilette auf einer Kellertreppe stürzte und sich dabei Brüche im Bereich der Halswirbelsäule mit einer Querschnittssymptomatik zugezogen hat (Gerichtsbescheid vom 2. Juli 2020, S 1 U 1897/19, noch nicht rechtskräftig.)
Der seit einiger Zeit arbeitsunfähig erkrankte Kläger nahm auf Einladung seines Arbeitgebers an der betrieblichen Weihnachtsfeier in einem Weinlokal teil. Die Veranstaltung begann nach übereinstimmenden Angaben gegen 18.00 Uhr und endete am folgenden Tag gegen 01.30 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt verließ auch der teilnehmende Geschäftsführer die Feier. Der Kläger erlitt gegen 06.00 Uhr morgens in den Betriebsräumen seines Arbeitgebers einen Unfall, als er auf dem Weg zur Toilette die Kellertreppe hinabstürzte und sich dabei Brüche im Bereich der Halswirbelsäule mit Querschnittssymptomatik zuzog. Gegen 08.30 Uhr wurde der Kläger mit dem Hubschrauber in eine Universitätsklinik gebracht, wo eine traumatische Querschnittslähmung diagnostiziert wurde.
Durch Bescheid lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab und verneinte einen Entschädigungsanspruch. Zur Begründung führte sie aus, ein Arbeitsunfall werde nach § 8 Abs. 1 SGB VII als Unfall definiert, den eine versicherte Person bei Ausübung der versicherten Tätigkeit erleide. Dabei müsse die versicherte Tätigkeit den Unfall rechtlich wesentlich verursacht haben. Es müsse ein sogenannter innerer Kausalzusammenhang mit der Betriebstätigkeit bestehen. Die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung sei dabei der versicherten Betriebstätigkeit gleichzusetzen. Ein rein äußerlicher Zusammenhang reiche für die Anerkennung der erforderlichen Kausalität jedoch nicht aus. Vielmehr bestehe kein Kausalzusammenhang bei Tätigkeiten, die wesentlich dem privaten Bereich zuzuordnen seien. Tätigkeiten, die nicht in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stünden, sondern privaten Interessen des Versicherten dienten, stünden als eigenwirtschaftliche Verrichtungen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach Auskunft des Arbeitgebers habe die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gegen 01.30 Uhr geendet. Mit diesem Zeitpunkt ende dann auch der innere Zusammenhang mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit. Der nächtliche Aufenthalt auf der Betriebsstätte, von dem der Arbeitgeber nach eigenen Angaben nichts gewusst habe, sei somit nicht von betrieblichen, sondern von eigenwirtschaftlichen Belangen geprägt gewesen. Insofern bestehe kein Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit, weshalb ein Arbeitsunfall nicht vorliege.
Dagegen ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigten Widerspruch einlegen. Zur Begründung wurde vorgetragen: Die Weihnachtsfeier habe in einem Weinlokal, etwa 200 m neben dem Betriebsgelände, stattgefunden. Der Kläger habe wie die anderen Mitarbeiter auch, seinen PKW auf dem Firmenparkplatz abgestellt. Er habe dann nachts zusammen mit weiteren Kollegen die Feier verlassen. Zu diesem Zeitpunkt sei keiner der Vorgesetzten mehr anwesend gewesen. Da sich der Kläger und seine Kollegen nicht mehr fahrtüchtig gefühlt und kein Taxi hätten erreichen können, hätten sie im Aufenthaltsraum des Betriebes übernachtet. Der Kläger sei dann gegen 06.00 Uhr morgens auf der Treppe auf dem Weg vom Aufenthaltsraum zur Toilette gestürzt und habe sich schwer verletzt. Dieses Unfallereignis sei als Arbeitsunfall zu werten, weil es im inneren und sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe und sich der Unfall auf dem Weg zur Toilette ereignet habe. Da die Heimfahrt wegen Fehlens eines Taxis unmöglich gewesen sei, sei das Übernachten im Betrieb betrieblich veranlasst gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, der nächtliche Aufenthalt des Klägers auf der Betriebsstätte sei von eigenwirtschaftlichen Belangen geprägt gewesen, nachdem die Gemeinschaftsveranstaltung gegen 01.30 Uhr geendet habe. Dabei verkenne der Kläger, dass der innere, sachliche Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit in der Regel mit der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis begründet werde. Kennzeichnend für die Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses sei das Kriterium, dass die Tätigkeit den Zwecken des Unternehmens zu dienen bestimmt sei, was bei der Übernachtung im Betrieb nach der Weihnachtsfeier nicht angenommen werden könne.
Das Sozialgericht hat das Sturzereignis nicht als Arbeitsunfall festgestellt und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die zutreffenden Darlegungen der beklagten Berufsgenossenschaft gestützt und ergänzend ausgeführt:
Es habe sich zwar bei der Weihnachtsfeier um eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Die Gemeinschaftsveranstaltung und damit der Versicherungsschutz seien jedoch am Unfalltag gegen 01.30 Uhr beendet. Die Tätigkeit des Klägers vor dem Sturz (Aufenthalt in den Betriebsräumen und Aufsuchen der Toilette im Untergeschoss) hätten nicht in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gestanden.
Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Aufenthalt in den Betriebsräumen, zumal der Kläger an der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung als arbeitsunfähig erkrankter Mitarbeiter teilgenommen habe, nicht mehr Bestandteil der Gemeinschaftsveranstaltung gewesen und damit von der Beschäftigtenversicherung nicht geschützt.
Eine versicherte Gemeinschaftsveranstaltung ende im Normalfall, soweit der Unternehmer oder die von ihm mit der Durchführung der Veranstaltung betraute Person die Veranstaltung beende, da diese dann nicht mehr von der Autorität der Betriebsleitung getragen werde. Anschließendes Beisammenbleiben, Umherziehen usw. sei deshalb nicht mehr versichert, auch nicht in Begleitung des Unternehmers oder Beauftragter. ( Kasseler Kommentar – Ricke, 108. EL März 2020, SGB VII, § 8 Rn. 79 m.w.N. ).
Blieben Versicherte nach dem Ende der offiziellen Veranstaltung noch längere Zeit privat zusammen, lösten sie sich vom Betrieb und stünden demgemäß nicht mehr unter Versicherungsschutz (Hauck/Noftz /Keller, § 8 Rn. 108, Stand 6/2018 mit Hinweis auf BSG, 30. 3. 2017, B 2 U 15/15 R, NZS 2017, S. 625 ff. Rz 21: zum Nichtvorliegen des Unfallversicherungsschutzes eines Außendienstarbeiters auf dem Weg zur Toilette während eines geselligen Ausklanges einer Dienstreise an der Hotelbar im Anschluss an das offizielle Abschlussabendessen).
Dass der Kläger nach eigenen Angaben nach Beendigung der Gemeinschaftsveranstaltung alkoholbedingt nicht mehr mit seinem PKW, der sich auf dem Firmengelände befunden habe, nach Hause habe fahren können und dürfen, stehe nicht im inneren Zusammenhang mit dessen betrieblicher Tätigkeit und der Gemeinschaftsveranstaltung. Insofern könne dies auch den Aufenthalt und die Übernachtung in den Betriebsräumen und den Gang zur Toilette nicht in einen inneren Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit und/oder der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung stellen. Es handele sich insoweit um eine eigenwirtschaftliche, nicht versicherte Tätigkeit.
Abschließend wies die Kammer darauf hin, dass beispielsweise eine rechtlich unzutreffende Auffassung von Unternehmen und Beschäftigten, eine bestimmte Verrichtung stehe in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, keinen Versicherungsschutz zu begründen vermöge (BSG Urteil vom 13.12.2005, B 2 U 29/04 R, Fundstelle Juris). Damit könne hier etwa auch kein Versicherungsschutz damit begründet werden, dass der Kläger und seine Kollegen die Überzeugung gehabt hätten, es handele sich weiter um eine versicherte, betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, wenn sie in den Betriebsräumen, als Folge der Weihnachtsfeier alkoholbedingt übernachteten.
VIII. Vertragsarztrecht
1. Zur Auslegung des Mängelbegriffs im Rahmen der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur kurativen Mammographie (Mammographie-Vereinbarung) (S 24 KA 3187/17, Urteil vom 25.02.2020).
Zwischen einem Facharzt für Radiologie und der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung stand das Ergebnis einer Qualitätssicherungsprüfung im Bereich Mammographie in Streit. Auf Grundlage der Mammographie-Vereinbarung widerrief die Beklagte nach wiederholt festgestellten Dokumentationsmängeln in den Röntgenbildern dessen Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der kurativen Mammographie.
Die Kammer ist indes nach Einholung eines Gutachtens durch einen radiologischen Sachverständigen zu dem Ergebnis gelangt, dass die für den Widerruf erforderlichen, schwerwiegenden Mängel in den Röntgenbildern des Klägers nicht nachgewiesen sind und hat die Bescheide der Beklagte aufgehoben.
Dabei gehen die divergierenden Einschätzungen des gerichtlichen Gutachters sowie der Ärzte der mit dem Fall befassten Qualitätssicherungskommission der Beklagten letztlich darauf zurück, dass der Wortlaut der in der Mammographie-Vereinbarung niedergelegten Mangelstufen (geringer Mangel: „Pectoralismuskel nicht bis zur Höhe der Mamille erfasst“ vs. schwerwiegender Mangel: „Pectoralismuskel nur am Rand erfasst“) einen gewissen Einschätzungsspielraum zulässt. Es ist in der Vereinbarung nicht konkret ausgeführt, wo die Grenze verläuft und ab wann nur noch von einer „Abbildung am Rand“ gesprochen werden kann. Da die maßgebliche Grenze, an die hier für den Vertragsarzt mit dem Entzug der Genehmigung ganz erhebliche Rechtsfolgen geknüpft sind, fließend verläuft, darf in Zweifelsfällen wie dem vorliegenden keine Auslegung der Mammographie-Vereinbarung zu Lasten des Vertragsarztes gewählt werden.
IX. Asylbewerberleistungsrecht
1. Leistungskürzungen gemäß § 1 a Abs. 4 S. 2 Asylbewerberleistungsgesetz sind auf sechs Monate zu befristen und dürfen zeitlich nicht an die Dauer des Fortbestehens internationalen Schutzes in einem Drittstaat geknüpft werden (nicht beschwerdefähiger Beschluss vom 26.11.2019, S 20 AY 4288/19 ER).
Der 1999 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger und reiste im September 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid vom 26.10.2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag nach Vortrag des Antragstellers ab. Gegen die Abschiebungsanordnung erhob er Klage beim Verwaltungsgericht und stellte dort gleichzeitig einen Antrag auf aufschiebende Wirkung. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht noch aus. Zunächst bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Zeit vom 01.02.2019 bis 31.08.2019 gekürzte Leistungen nach § 1 a Abs. 4 S. 2 i.V.m. Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Leistungsberechtigte, für die ein anderer Mitgliedstaat oder ein am Verteilermechanismus teilnehmender Drittstaat zuständig sei, erhielten nur eingeschränkte Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung, Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Für den Antragsteller sei vorliegend Griechenland zuständig. Dort sei ihm vor der Einreise nach Deutschland internationaler Schutz gewährt worden, der fortbestehe. Mit Bescheid vom 26.09.2019 wurden dem Antragsteller wiederum gekürzte Leistungen für die Monate September und Oktober 2019 bewilligt.
Das Gericht gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. Neben dem Anordnungsgrund habe der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn nach dem Ablauf der ersten Sanktion für den Zeitraum von sieben Monaten (vom 01.02.2019 bis 31.08.2019) sei vorliegend eine weitere Sanktionierung nicht mehr möglich. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit seien Anspruchseinschränkungen zeitlich zu begrenzen. Dies habe der Gesetzgeber seit 24.10.2015 in der neuen Vorschrift von § 14 AsylbLG normiert, die für alle im AsylbLG geregelten Sanktionstatbestände von Anspruchseinschränkungen gelte.
Die Auffassung der Antragsgegnerin, wonach die Sanktionsmöglichkeit gemäß § 1 a Abs. 4 S.2 AsylbLG fortbestehe, solange der Antragsteller internationalen Schutz in einem europäischen Drittstaat genieße, vermochte die Kammer nicht zu überzeugen. Nach § 1 a Abs. 4 S. 2 AsylbLG sei die Leistungseinschränkung zwar in der Tat nur möglich, „wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht.“ Bereits der Wortlaut der Norm spreche jedoch dafür, dass der Gesetzgeber die Dauer der Sanktion nicht an die Dauer des Fortbestehens des internationalen Schutzes habe knüpfen wollen. Wenn eine derartige Verknüpfung beabsichtigt gewesen wäre, hätte der Gesetzgeber dies durch Ersetzung des Wortes „wenn“ durch das Wort „solange“ klarstellen können.
Darüber hinaus sei bei verfassungskonformer Auslegung der Zweck des Sanktionstatbestandes darin zu erblicken, ein subjektiv vorwerfbares Verhalten des Leistungsberechtigten mittels einer temporären Leistungseinschränkung zu sanktionieren. Da der Leistungsberechtigte auf die Dauer des ihm in einem Drittstaat gewährten internationalen Schutzes jedoch keinen unmittelbaren Einfluss habe, die Dauer vielmehr von den aufenthaltsrechtlichen Regelungen in dem jeweiligen Drittstaat sowie internationalen Bestimmungen abhänge, könne ihm die dort getroffene Verwaltungsentscheidung nicht im Sinne eines subjektiv vorwerfbaren Verhaltens zugerechnet werden. Damit sprächen auch teleologische Gesichtspunkte dagegen, die Dauer der Sanktion unmittelbar an die Dauer des internationalen Schutzes in dem jeweiligen Drittstaat zu knüpfen. Eine andere Sichtweise hätte zur Folge, dass die Dauer der Sanktion davon abhinge, in welchem zeitlichen Abstand zu der Gewährung des internationalen Schutzes sich der Leistungssuchende zum Verlassen Drittstaates entscheide. Eine sich unmittelbar an die Gewährung internationalen Schutzes anschließende Sekundärmigration zöge eine (unter Umständen um Jahre) längere Sanktionsdauer nach sich als eine solche, die kurz vor Auslaufen des internationalen Schutzes stattfände. Diese Rechtsfolge entbehre jeder sachlichen Grundlage und lasse sich bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Sinn und Zweck von § 1 a Abs. 4 S. 2 AsylbLG nicht vereinbaren. Nachdem die Pflichtverletzung aufgrund der nunmehr bestehenden Aufenthaltsgestattung des Antragstellers nach § 55 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG), die gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylG erst mit der Unanfechtbarkeit Entscheidung des Bundesamtes ende, nicht fortwirke, scheide eine Verlängerung des Sanktionstatbestandes nach § 14 Abs. 2 AsylbLG schließlich ebenfalls aus.
2. Die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 1, 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erfordert ein individuelles Fehlverhalten des Leistungsberechtigten (Beschluss vom 23.02.2020, S 11 AY 458/20 ER).
Die Antragstellerin und ihr im Jahr 2013 geborenes Kind besitzen die iranische Staatsangehörigkeit. Nachdem sie den Iran verlassen hatten, beantragten sie Flüchtlingsschutz in Griechenland, der ihnen auch zuerkannt wurde. Im November 2019 reisten beide in die Bundesrepublik ein und stellten hier erneut Anträge auf Flüchtlingsschutz. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid schränkte der Antragsgegner die Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 1a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 3 AsylbLG ein. Die Antragsteller seien in die Bundesrepublik eingereist, obwohl ihnen internationaler Schutz bereits in Griechenland gewährt worden sei und dieses Aufenthaltsrecht weiter fortbestehe. Die Einreise bzw. Nichtausreise trotz Kenntnis des Aufenthaltsrechts in Griechenland stelle ein pflichtwidriges Verhalten dar.
Das Gericht hat dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattgegeben. Den Antragstellern könne die Einreise in die Bundesrepublik nicht zum Vorwurf gemacht werden, da ihnen in Griechenland unter Berücksichtigung der Bestimmung des Art. 3 ERMK unmittelbar eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung drohen würde. Das Gericht orientierte sich hierbei an die zahlreiche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu den vulnerablen Personenkreisen, nach der einer Überstellung nach Griechenland die Minderjährigkeit eines Kindes entgegenstehen kann. Daher könne die Einreise in die Bundesrepublik den Antragstellern nicht zum Vorwurf gemacht werden.
X. Elterngeld
1. Die Verschiebung des Bemessungszeitraums auf Grundlage einer teleologischen Reduktion des § 2b Abs. 3 BEEG kommt auch dann nicht in Betracht, wenn ein Elterngeldberechtigter im Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes sowohl Einkommen aus nichtselbständiger als auch aus selbständiger Tätigkeit hat und durch die Verschiebung des Bemessungszeitraums auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum erheblich weniger Elterngeld erhält (Urteil vom 18.06.2020, S 9 EG 2785/19).
Die Beteiligten stritten über den der Berechnung des Elterngeldes zugrunde zu legenden Bemessungszeitraum.
Die Klägerin beantragte im Rahmen des Antrags auf Gewährung von Elterngeld für den 01. bis 08. Lebensmonat, den Bemessungszeitraum ausnahmsweise auf den Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes zu verschieben. Sie habe zwar Mischeinkünfte aus selbständiger und unselbständiger Tätigkeit. Durch die Verschiebung des Bemessungszeitraums auf den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum entstünden ihr aber große finanzielle Nachteile beim Elterngeld. In den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes habe sie sowohl eine selbständige als auch eine angestellte Tätigkeit begonnen und sei damit auf einen Bruttolohn von ca. 40.000 € gekommen, im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum dagegen nur von ca. 20.000 €. Sie werde daher aufgrund ihrer Selbständigkeit benachteiligt. Die Beklagte gewährte der Klägerin Elterngeld für den 1. bis 8. Lebensmonat und legte als Bemessungszeitraum den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum zugrunde. § 2b Abs. 3 BEEG sei abschließend und erlaube keine Verschiebung des Bemessungszeitraums. Den Widerspruch wies die Beklagte zurück. Zur Begründung führte sie an, der Gesetzeswortlaut des § 2b Abs. 3 BEEG lasse im Hinblick auf den Bemessungszeitraum kein Ermessen zu und es liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, da Unterschiede zwischen Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit die Ungleichbehandlung rechtfertigten. Die Verschiebung des Bemessungszeitraums sei durch das gesetzgeberische Ziel der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt, selbst wenn dies im Einzelfall zu einem erheblich geringeren Elterngeldanspruch führe.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne nicht die Verschiebung des Bemessungszeitraums auf den Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 2b Abs. 3 BEEG verlangen. Eine ungeschriebene Ausnahme von der Vorschrift des § 2b Abs. 3 BEEG sei aufgrund von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte ausgeschlossen. Der Wortlaut des § 2b Abs. 3 S. 1 BEEG „ist“ räume der Beklagten keinen Ermessungsspielraum ein. Die Vorschrift gebe der Beklagten eine gebundene Entscheidung vor, den Bemessungszeitraum zu verschieben, wenn der Elterngeldberechtigte wie die Klägerin Mischeinkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit bezogen habe. Die Möglichkeit einer Ausnahme im Härtefall würde die vom Gesetzgeber bezweckte Verwaltungsvereinfachung weitgehend zunichtemachen. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei nicht gegeben, da die Unterschiede zwischen Einkünften aus selbständiger und aus nichtselbständiger Tätigkeit die vom Gesetzgeber gewählte unterschiedliche Festlegung des Bemessungszeitraums rechtfertigten.