I. Arbeitslosenversicherung
1. Dem Anspruch auf Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit nach § 146 SGB III steht der Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs der Agentur für Arbeit nicht entgegen. Aus dem Wortlaut geht nicht hervor, dass die Leistungsfortzahlung spätestens mit Ablauf der genehmigten Ortsabwesenheit endet, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des Zeitraums mit Anspruch auf Leistungszahlung eintritt (Gerichtsbescheid vom 27.06.2017, S 8 AL 812/17, Berufung anhängig - L 13 AL 3076/17).
Im zugrundeliegenden Fall hatte der Kläger nach seinem Antrag auf Arbeitslosengeld am 14.12.2016 Ortsabwesenheit für den Zeitraum vom 21.12.2016 bis 01.01.2017 beantragt, um die Feiertage bei der Familie in Berlin zu verbringen, was ihm von der Beklagten genehmigt worden war. Aufgrund einer Verletzung war der Kläger ab dem 30.12.2016 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld bis zum 01.01.2017 und lehnte einen Anspruch darüber hinaus mit der Begründung ab, dass der Kläger während der genehmigten Ortsabwesenheit arbeitsunfähig erkrankt sei und die Arbeitsunfähigkeit über die genehmigte Ortsabwesenheit hinaus andauere. Damit stehe der Kläger der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung und sei deshalb nicht arbeitslos.
Das Gericht hat der Klage stattgegeben, da aus dem Wortlaut des § 146 Absatz 1 Satz 1 SGB III nicht hervorgehe, dass die Leistungsfortzahlung spätestens mit Ablauf der genehmigten Ortsabwesenheit ende, wenn die Arbeitsunfähigkeit während genehmigter Ortsabwesenheit während des Zeitraums mit Anspruch auf Leistungszahlung eintrete. Die Geschäftsanweisung 201607031 der Beklagten ist nach Auffassung des Gerichts mit § 146 SGB III nicht vereinbar und führt zu einer Schlechterstellung desjenigen, der während einer genehmigten Ortsabwesenheit arbeitsunfähig wird, gegenüber demjenigen, der während des „normalen“ Leistungsbezugs arbeitsunfähig wird, obwohl die in beiden Fällen fehlende Leistungsfähigkeit des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitslosen einer sofortigen Vermittelbarkeit, welche die Residenzpflicht bezweckt, ohnehin entgegensteht.
2. Eine Sperrzeit von 12 Wochen tritt beim Arbeitslosengeld auch dann ein, wenn der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis kündigt, um vorzeitig mit Abschlägen in Altersrente zu gehen, sich dann aber arbeitslos meldet und Arbeitslosengeld beantragt, weil ihm durch eine geplante Gesetzesänderung nun die Möglichkeit eröffnet wird, einige Monate später als besonders langjähriger Versicherter eine abschlagsfreie Altersrente in Anspruch zu nehmen (Urteil vom 2.02.2017, S 16 AL 582/14).
Der kaufmännische Angestellte eines Elektronikherstellers beantragte mit 63 Jahren eine Altersrente für langjährig Versicherte und kündigte sein Arbeitsverhältnis. Im Rahmen der Rentenantragstellung war er über den anfallenden Rentenabschlag von 8,6 % informiert worden. Einige Zeit nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfuhr er aus den Medien, dass der Gesetzgeber für besonders langjährig Versicherte mit 45 Versicherungsjahren eine abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren einzuführen plante. Daraufhin nahm er den Rentenantrag zurück und meldete sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos. Die Agentur für Arbeit stellte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe fest.
Zu Recht, wie das Gericht entschied: Selbst wenn der Kläger ursprünglich einen wichtigen Grund für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses gehabt haben sollte, weil er die vom Rentengesetzgeber eröffnete Möglichkeit eines vorzeitigen Renteneintritts habe nutzen wollen, könne er sich darauf nicht mehr berufen. Denn er habe sich nicht entsprechend dieser Absicht verhalten. Obgleich er nach wie vor zum geplanten Termin mit demselben Rentenabschlag in Rente habe gehen können und sich die für die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblichen Umstände somit nicht geändert hätten, habe er sein Vorhaben aufgegeben, um sich eine für ihn günstigere Rentenoption zu sichern. Er habe damit aus rein persönlichen finanziellen Gründen die Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung belastet und sich widersprüchlich verhalten.
II. Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft durch den SGB II-Träger besteht nicht, wenn unter Familienangehörigen ein Mietvertrag mit entsprechender Mietzinsregelung nur abgeschlossen wurde, um den Mietzins wiederum vom Jobcenter als Kosten der Unterkunft erhalten zu können (Urteil vom 23.03.2017, S 2 AS 7218/13).
Die Klägerin lebt in ihrem Elternhaus. Für die Nutzung ihres Zimmers verlangen die Eltern nach Mietvertragsabschluss eine monatliche Miete, welche die Klägerin auch bezahlt. Im Laufe der Verfahrens wurde deutlich, dass die Klägerin bei ihren Eltern auch mietfrei wohnen dürfte, wenn die Miete nicht vom Jobcenter als Teil der Kosten der Unterkunft übernommen würde. Das SG hat die Klage abgewiesen. Es sei nicht glaubhaft, dass Eltern anlässlich der Rückkehr des eigenen Kindes vorhandenen Wohnraum im eigenen Haus erstmalig kommerzialisieren, zumal eine Vermietung an eine Dritte, nicht familienangehörige Person nach den Angaben der Eltern nicht erfolgen würde. Eine ernstliche Zahlungsverpflichtung der Klägerin habe in diesem Fall nicht begründet werden sollen. Schuldner der Mietzinsforderung habe von vorneherein das Jobcenter sein sollen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft scheidet in diesem Fall aus.
2. Bei der Prüfung, ob ein Treuhandverhältnis tatsächlich besteht, ist im Rahmen einer Bedürftigkeitsprüfung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ein strenger Maßstab anzulegen. Das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse muss hierfür eindeutig erkennbar sein.
Bei der Prüfung von Schuldverpflichtungen unter nahen Angehörigen gilt der Grundsatz, dass ein Vertrag und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten einem Fremdvergleich standhalten, also dem zwischen fremden Dritten Üblichen entsprechen muss. Diese Grundsätze sind auch auf die Frage, ob ein verdecktes Treuhandverhältnis im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung als Voraussetzung des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II Berücksichtigung finden muss, zu übertragen (Beschluss vom 24.02.2017 , S 3 AS 672/17 ER).
Die Antragstellerin begehrte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Bereits im Jahr 2010 fiel bei einem Datenabgleich auf, dass sie im Jahr 2006 Kapitalerträge von der Deutschen Bank erhalten hatte. Auf Anfrage teilte die Antragstellerin hierzu mit, dass sie vor Jahren Aktien für ihre Mutter erworben habe. Aufgrund der hohen Umschreibungsgebühr sei die Anlage aus finanziellen Gründen (noch) nicht auf die Mutter umgeschrieben worden. Die Dividende erhalte die Mutter der Antragstellerin. Zugleich legte die Klägerin eine Bestätigung ihrer Mutter vor, wonach diese die Antragstellerin gebeten habe, für sie Aktien zu erwerben.
3. Einer schwangeren Unionsbürgerin (hier: bulgarische Staatsangehörige) können im Einzelfall auch dann vorläufig Leistungen nach dem SGB II bewilligt werden, wenn der mit einer anderen Frau verheiratete Kindsvater über ein dauerndes Aufenthaltsrecht verfügt und dieser die Vaterschaft anerkannt hat, auch wenn die Begründung einer Lebensgemeinschaft nach Geburt des Kindes nicht nachgewiesen ist (Beschluss vom 13.04.2017 , S 25 AS 1068/17 ER; bestätigt durch Beschluss des LSG vom 31.05.2017, L 1 AS 1815/17 ER-B).
Die im Jahre 1980 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige und reiste nach eigenen Angaben Ende 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zum Entscheidungszeitpunkt war die Antragstellerin im 5. Monat schwanger. Herr E. hatte bereits die Vaterschaft anerkannt. Dieser ist in Deutschland geboren, hat die türkische Staatsangehörigkeit und verfügt ausweislich der Urkunde zur Anerkennung der Vaterschaft über einen dauerhaften Aufenthaltstitel. Herr E. ist mit einer anderen Frau verheiratet und hat mit dieser Ehefrau ein Kind. Die Antragstellerin hat beim Gericht beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen.
Das Gericht hat dem Antrag stattgegeben. Die Antragstellerin könne sich nach den besonderen Einzelfallumständen wegen der zu erwartenden Geburt des Kindes, für dessen Vater ein Aufenthaltsrecht bestehe, auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II berufen. Eine Konstellation, die einen anderen Aufenthaltszweck als denjenigen der Arbeitsuche vermitteln kann, könne nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) auch in einer bevorstehenden Familiengründung liegen. Insofern werde in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum AufenthG angenommen, dass der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils zukommen können. Die anstehende Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen, aber auch einer ausländischen Staatsangehörigen könne aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn entweder der Schutz der Familie nach Art 6 Abs. 1 GG und die aus Art 2 Abs. 2 S 1 und Art 1 Abs. 1 GG abzuleitende Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten, oder wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben würden, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung sicher erwarten lasse und eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens nicht zumutbar sei. Dies gelte zumindest bei einer Vaterschaftsanerkennung und der Zustimmung der Mutter sowie einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung. Insofern trete die staatliche Verpflichtung aus Art 6 Abs. 1 GG i.V.m. Abs. 2 GG ein. Von der Schutzpflicht des Staates aus Art 6 GG sei insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw. Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen. Das Gericht sah auch im zu entscheidenden Verfahren die aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung als gegeben an mit der Folge, dass die Antragstellerin von ihrem (noch ungeborenen) Kind das Aufenthaltsrecht ableiten konnte. Zwar verhalte es sich vorliegend so, dass nach Angaben der Antragstellerin derzeit gerade nicht beabsichtigt sei, mit dem Kindsvater eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Das Gericht sah jedoch im vorliegenden Einzelfall nicht das Verhältnis der Mutter zum Vater des Kindes als ausschlaggebend an. Nicht die formal-rechtlichen familiären Bindungen seien dahingehend entscheidend, sondern die gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung und die tatsächliche Verbundenheit zwischen dem Vater, der Mutter und dem Kind. Das Gericht ging nach Anhörung der Antragstellerin davon aus, dass der Kindsvater tatsächlich auch eine Beziehung zu seinem Kind aufbauen und entsprechende Erziehungsbeiträge leisten möchte.
4. Die reine Zahlungsaufforderung – ohne zusätzliche Festsetzung einer Mahngebühr – stellt keinen Verwaltungsakt dar, weshalb gegen sie der Rechtsbehelf des Widerspruchs nicht zulässig ist (Gerichtsbescheid vom 08.03.2017, S 21 AS 7193/16; Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt, Az.: L 3 AS 1373/17).
Mit Schreiben vom 19.06.2016 – benannt als Zahlungsaufforderung – teilte die beklagte Agentur für Arbeit der Klägerin mit, sie habe die am 30.05.2012 fällige Forderung des Jobcenters R. in Höhe von 6.287,19 Euro noch nicht beglichen. Das Jobcenter R. habe die Beklagte mit der Wahrnehmung des Forderungseinzugs betraut. Das Schreiben enthielt zudem eine Aufstellung der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Jobcenters R. aus denen sich die Forderung in Höhe von 6.287,19 Euro zusammensetzte. Gegen das Schreiben vom 19.06.2016 erhob die Klägerin Widerspruch; eine Begründung erfolgte nicht. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2016 als unzulässig zurück. Die angefochtene Zahlungserinnerung stelle keinen Verwaltungsakt dar, weshalb der Widerspruch unzulässig sei. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart mit der Begründung, ihr sei nicht ersichtlich, warum sie einen Betrag in Höhe von 6.287,19 Euro zurückzahlen solle. Sie habe stets alle geforderten Beträge fristgerecht zurückgezahlt.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten, den Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen, sei nicht zu beanstanden. Gemäß § 62 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei der Widerspruch nur gegen Verwaltungsakte i.S.d. § 31 SGB X zulässig. Ein Verwaltungsakt sei jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffe und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sei (§ 31 Satz 1 SGB X). Eine Zahlungsaufforderung stelle demnach keinen Verwaltungsakt dar, da sie keine Regelung enthalte; sie entscheide nicht über die Begründung einer Forderung, sondern solle den Adressaten lediglich davon in Kenntnis setzen, welche Forderungen zu welchem Termin fällig seien. Es handle sich bei ihr lediglich um eine unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung oder zu den eigentlichen Vollstreckungshandlungen, die nicht selbständig anfechtbar sei. Soweit sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch gegen die Aufhebung- und Erstattungsbescheide des Jobcenters R. habe wenden wollen, sei der Widerspruch ebenfalls wegen Ablaufs der Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 SGG) unzulässig.
III. Rentenversicherung
1. LKW-Fahrer, die bei ihrer Tätigkeit keinen eigenen LKW, sondern einen LKW des Auftraggebers nutzen, sind in der Regel abhängig beschäftigt (Urteil vom 25.04.2017, S 2 R 1023/13).
Die Beteiligten stritten über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Die Beklagte stellte fest, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer für ein Transportunternehmen abhängig und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Hiergegen wendete sich der Kläger.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen, da der Kläger abhängig beschäftigt gewesen sei. Maßgebliches Kriterium sei im vorliegenden Fall, dass der Kläger keinen eigenen LKW genutzt habe. Der Kläger habe daher keine eigenen Betriebsmittel genutzt und damit kein maßgebliches Unternehmerrisiko getragen. Er habe mithin nicht, wie dies bei einem Unternehmer der Fall sei, neben seiner Arbeitskraft einen nennenswerten Einsatz an Sachmitteln, sondern nur seine Arbeitskraft angeboten, wie dies jeder abhängig Beschäftigte tue.
2. Es besteht kein Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Hochgebirgsklinik Davos, wenn keine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorliegt und auch ambulante Maßnahmen vor Ort ausreichend sind (Gerichtsbescheid vom 03.05.2017, S 5 R 3374/16).
Die Klägerin arbeitet als Rezeptionskraft und leidet an Asthma bronchiale, an multiplen Allergien und an einer Fingerpolyarthrose. Sie besitzt eine Qualifikation als Atemtherapeutin. Bereits im Jahr 2012 nahm sie an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Nordseeklinik Borkum teil. Ihren im Jahr 2016 gestellten Antrag, in der Hochgebirgsklinik Davos eine dreiwöchige stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen, lehnte die beklagte DRV Bund ab.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass die persönlichen Voraussetzungen nicht vorlägen, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin als Rezeptionistin nicht erheblich gefährdet oder gar gemindert sei. Zudem genügten ambulante Maßnahmen. Ein Anspruch auf stationäre Leistungen komme nur in Betracht, wenn das Rehabilitationsziel nicht mit ambulanten Leistungen erreicht werden könne. Dies gelte unabhängig davon, dass die Klägerin eine Qualifikation als Atemtherapeutin besitze.
3. Wer als Dozent bei einem Weiterbildungsinstitut tätig wird, übt dieses Tätigkeit als Selbstständiger aus, wenn keine weitergehende Eingliederung in die Organisation des Weiterbildungsinstituts besteht (Urteil vom 26.04.2017, S 5 R 6159/14).
Die Klägerin ist ein gemeinnütziger Aus- und Weiterbildungsdienstleister. Mit einem sogenannten „Trainerpool“ (fast 400 Trainer) führt die Klägerin an ihren Standorten Lehrgänge durch. Der Beigeladene war von 2009 bis 2010 für die Klägerin im Rahmen eines Lehrgangs als freiberuflicher Dozent tätig. Erst im Jahr 2013, als er Leistungen nach dem SGB II bezog, beantragte er bei der DRV Bund im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens die Feststellung, dass er bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte folgte diesem Antrag.
Das Gericht sah dies anders und stellte fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Dozent im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit verrichtet habe. Hierbei wies das Gericht darauf hin, dass die Tätigkeit als Dozent sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden könne. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis unterscheide sich - ebenso wie ein Arbeitsverhältnis - von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befinde. Der Beigeladene sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Dass entsprechende Lehrpläne zu beachten seien, begründe keine Weisungsabhängigkeit in fachlicher Hinsicht, solange auf der Grundlage dieser allgemeinen Regelungen die selbständige Unterrichtsgestaltung der Lehrkräfte erhalten bleibe. Eine organisatorische Eingliederung des Beigeladenen in den Schulbetrieb folge auch nicht daraus, dass die komplette Schulorganisation in den Händen der Klägerin gelegen habe. Nicht jede Anpassung an die Betriebsabläufe des Auftraggebers stelle eine Eingliederung in dessen Arbeitsorganisation dar. Der Beigeladene habe keine Verwaltungsaufgaben zu übernehmen, keine Pausenaufsicht zu machen und auch keine Vertretungen für verhinderte Kollegen wahrzunehmen gehabt. Die Klägerin habe ihn weder für andere Kurse einsetzen noch seine Teilnahme an Konferenzen, Sprechtagen und Veranstaltungen anordnen oder von ihm die Erfüllung sonstiger Nebenpflichten verlangen können.
4. Bewilligt dieselbe Behörde einer Versicherten zwei Renten (Witwenrente und Altersrente) und teilt sie in den Rentenanpassungsmitteilungen die jeweils aktuelle Rentenhöhe für beide Renten im selben Schreiben mit, so muss der Versicherte nicht damit rechnen, dass eine Anrechnung der Altersrente auf die Hinterbliebenenrente unterblieben ist (Urteil vom 23.06.2017, S 13 R 5384/15).
Die Klägerin bezog seit dem Jahr 2000 von der Beklagten eine Witwenrente. Im Jahr 2003 beantrage sie bei der Beklagten eine Altersrente. Ob sie in dem Antrag auf Altersrente den Bezug der Witwenrente angegeben hat, lies sich nicht mehr ermitteln, da die Beklagte den Antrag vernichtet hat. Die Beklagte gewährte der Klägerin ab Juni 2003 eine Altersrente. Eine Anrechnung der Altersrente auf die Witwenrente der Klägerin unterblieb. Erst nach einem Zeitraum von über 11 Jahren erfuhr die für die Witwenrente zuständige Sachbearbeitung von der Gewährung einer Altersrente. Die Beklagte hob die Witwenrente in der Folgezeit ab Juni 2003 teilweise auf und verfügte die Erstattung des überzahlten Betrages von nahezu 9.000 €. Eine Reduzierung im Ermessenswege erfolgte nicht.
Die Kammer hat den Bescheid aufgehoben, da die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X (i.V.m. § 45 Abs. 3 S. 3 und 4) nach einer Zeit von über 10 Jahren seit Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr vorlägen, da eine Mitteilungspflichtverletzung der Klägerin nicht nachweisbar sei und sie davon habe ausgehen können, dass die Beklagte, die ja beide Renten bewilligt habe und die über die jährliche Anpassung beider Renten in einem Schreiben informiert habe, auch bei der Bewilligung berücksichtigt habe, dass zwei Renten gezahlt würden. Die Fehlerhaftigkeit der unverminderten Weitergewährung der Witwenrente habe die Klägerin nicht erkannt und auch nicht erkennen müssen. Zudem habe die Beklage ihr Mitverschulden nicht hinreichend bei der Ermessensausübung berücksichtigt.
5. Bei der Beurteilung der Beweggründe für eine Heirat kommt es nicht darauf an, ob das Überleben des an einer schweren lebensbedrohlichen Erkrankung leidenden Versicherten länger als ein Jahr nach der Eheschließung wahrscheinlicher war als sein Tod und ob die Eheleute von einer mindestens einjährigen Ehedauer ausgehen konnten. Leidet ein Versicherter zum Zeitpunkt der Eheschließung an einer potentiell lebensbedrohlichen Erkrankung und wurde der konkrete Heiratswunsch erst nach Bekanntwerden dieser Erkrankung gefasst, spricht dies für die Richtigkeit der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI. Ein besonderer, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstand kann nicht schon in einer langjährigen und von Liebe geprägten Beziehung gesehen werden (Urteil vom 20.10.2016, S 17 R 2259/14).
Die Klägerin und der verstorbene Versicherte lernten sich im Jahr 2002 kennen. Im Jahr 2010 erkrankte der Versicherte an Krebs, wobei im Mai 2011 bereits fortschreitende Knochenmetastasen festgestellt wurden. Im September 2011 heirateten die Klägerin und der Versicherte. Der Versicherte verstarb im Februar 2012.Am 9. März 2012 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Witwerrente, welche von der Beklagten unter Verweis auf § 46 Abs. 2a SGB VI abgelehnt wurde. Nach dieser Vorschrift haben Hinterbliebene keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer sei nicht nachgewiesen, dass die Ehe mit dem Versicherten aus anderen als aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei. Insofern habe der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung aufgrund der Metastasierung unzweifelhaft an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten. Allein die nachvollziehbare Hoffnung der Klägerin und des Versicherten auf eine eventuelle Heilung oder einen möglichst mehrjährigen Krankheitsverlauf sei nicht ausreichend, um die gesetzliche Vermutung der Versorgungsabsicht zu widerlegen. Allerdings können die Dauer des vorherigen nichtehelichen Lebensverhältnisses und das Bestehen einer Liebesbeziehung ein mögliches Indiz dafür sein, dass keine Versorgungsehe gegeben sei. Ein besonderer, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstand liege jedoch nicht darin, dass die Klägerin und der Versicherte schon seit einigen Jahren in häuslicher Gemeinschaft lebten. Dieser Umstand spreche vielmehr eher umgekehrt dafür, dass alleiniger oder überwiegender Zweck der Ehe gewesen sei, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen. Denn einem langjährigen Zusammenleben "ohne Trauschein" liege die langjährige bewusste Entscheidung zu Grunde, eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen.
6. Bei der Abgrenzung der versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung von der versicherungsfreien selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn Weisungsgebundenheit, Eingliederung in einen fremden Betrieb und persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber zu bejahen sind. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügbarkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Dies gilt auch bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Verfügt dieser über einen Gesellschaftsanteil von lediglich 26 %, bezieht er eine feste Jahresvergütung, welche in gleichen monatlichen Teilbeträgen ausbezahlt wird, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und einen Urlaubsanspruch, so sprechen diese Umstände deutlich für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung (Urteil vom 18.08.2016, S 17 R 747/14).
Der Beigeladene ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einer Beteiligung am Stammkapital in Höhe von 26 % und leitet den Kölner Standort allein und selbstbestimmt.
Auf Antrag des Beigeladenen stellte die beklagte Rentenversicherung durch Bescheid fest, dass der Beigelade seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und der Sozialversicherungspflicht unterliege.
Das Gericht hat die dagegen erhobene Klage der GmbH mit der Begründung abgewiesen, dass bei einem am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft das wesentliche Merkmal für die Beurteilung sei, ob ein abhängige oder selbständige Tätigkeit ausgeübt werde. Hier habe der Beigeladene aufgrund der Beteiligung am Stammkapital von weniger als 50 % gerade nicht über die Rechtsmacht verfügt, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung jederzeit verhindern zu können. Zudem habe auch keine Sperrminorität bestanden. Der Beigeladene habe weder ein unternehmerisches Risiko übernommen, noch eine tatsächliche wirtschaftliche Einflussmöglichkeit gehabt. Unerheblich sei dabei, dass er die Geschäfte am Kölner Standort der GmbH regelmäßig frei von Weisungen und eigenverantwortlich geführt habe.
7. Eine psychische Erkrankungen ist in Fortführung der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.04.2016, L R 459/15) erst dann von rentenrechtlicher Relevanz, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann – weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (Urteil vom 24.04.2017, S 25 R 2899/16; rechtskräftig)
Der Kläger begehrte von der Beklagten die Weiterbewilligung einer Erwerbsminderungsrente und verfolgte sein Anliegen gerichtlich weiter. Im Vordergrund standen orthopädische und psychische Beeinträchtigungen des Klägers.
Die Kammer hat die Klage abgewiesen, da die medizinischen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt gewesen seien. Bezüglich der psychischen Erkrankungen habe der Kläger nicht die ihm zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Psychische Erkrankungen seien erst dann von rentenrechtlicher Relevanz, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden könne, weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe. Vorliegend habe der Kläger noch keine engmaschige Verhaltenstherapie oder andere Psychotherapie durchgeführt. Des Weiteren sei bisher kein stationärer Aufenthalt oder ein Aufenthalt in einer Tagesklinik erfolgt. Die Kammer ging bei der bei dem Kläger vorliegenden Diagnose „Angst und depressive Störung gemischt“ davon aus, dass für den Kläger auch die Möglichkeit bestehe, seine Beschwerden durch entsprechende Behandlungsmöglichkeiten jedenfalls so weit zu bessern, dass eine Leistungsfähigkeit von über sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erreicht werde.
8. Zur selbständigen Tätigkeit einer nicht zur Leistungserbringung im System der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Physiotherapeutin in der Praxis einer zur Leistungserbringung zugelassenen und die Abrechnung durchführenden Physiotherapeutin (Urteil vom 25.10.2016, S 18 R 2290/15; LSG, Urteil vom 27.3.2017, L 9 R 4239/16).
Bei der Beigeladenen handelte es sich um eine examinierte Physiotherapeutin, die über keine eigene Kassenzulassung verfügte. Sie war Mitglied in einer Kooperationsgemeinschaft freier Therapeuten, die in verschiedenen Praxen als Urlaubs- oder Krankheitsvertretung und bei temporärem Personalmangel arbeiten. Die Klägerin und Inhaberin der Praxis konnte der Nachfrage nach physiotherapeutischen Behandlungen selbst nicht mehr nachkommen und schloss daher einen „Freiberuflervertrag“ mit der Beigeladenen, auf dessen Grundlage die Beigeladene in der Praxis der Klägerin tätig wurde.
Nach Überzeugung der Kammer war die Tätigkeit als selbständig einzuordnen. Die Beigeladene habe eigene Patienten behandelt und bei der Terminvereinbarung nicht auf Absprachen mit der Klägerin angewiesen gewesen, da die Praxis über eine ausreichende Anzahl von Räumen verfügt habe, so dass auch parallel habe gearbeitet werden können. Auch inhaltlich sei die Beigeladene an Weisungen der Klägerin nicht gebunden gewesen. So seien auch keine gemeinsamen Fallbesprechungen erfolgt. Werbematerialien, Visitenkarten und Namensschild der Beigeladenen hätten auch für die Patienten hinreichend deutlich gemacht, dass diese ihre Tätigkeit nicht im Dienst der Klägerin, sondern als Mitglied der Kooperationsgemeinschaft angeboten habe. Die Beigeladene habe bei ihrer Tätigkeit eigene Arbeitsmittel eingesetzt und außerdem die Beiträge für eine eigene Haftpflichtversicherung sowie die Beiträge an die Berufsgenossenschaft gezahlt.
Dass teilweise Anrufe von Patienten für die Beigeladene in Empfang genommen und Termine in ihrem Terminbuch eingetragen worden seien, trete gegenüber den überwiegenden Merkmalen zurück, die für eine selbständige Tätigkeit sprächen.
Die Entscheidung wurde durch das Landessozialgerichts mit Urteil vom 27.3.2017 (Az. L 9 R 4239/16) bestätigt. In der Folge gab die Beklagte mehrere Anerkenntnisse in Verfahren anderer Mitglieder der Kooperationsgemeinschaft freier Physiotherapeuten ab.
9. Die Versicherungspflicht eines Geschäftsführers einer GmbH, der zugleich deren Gesellschafter ist, hängt wesentlich davon ab, ob trotz seiner Kapitalbeteiligung noch ein Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit vorliegt.Hat ein Gesellschafter aufgrund seiner Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der Gesellschaft, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann, so kann es an der die versicherungspflichtige Beschäftigung wesentlich kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit fehlen. Im Fall des Geschäftsführers ist von einem solchen Fall auszugehen, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt, und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt. Unter Umständen kann auch schon ein geringerer Kapitalanteil genügen, insbesondere wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, die sich unter anderem darauf erstreckt, nicht genehme Weisungen zu verhindern oder Beschlüsse zu beeinflussen, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (Urteil vom 22.02.2017, S 22 R 827/13).
In diesem Rechtsstreit war zwischen den Beteiligten streitig, ob der Kläger im Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2014 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Beigeladenen der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte zu Recht festgestellt hat, dass der Kläger die Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Beigeladenen seit dem 01.01.2012 bis zum 31.12.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat und der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
10. Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw. psychiatrischem Fachgebiet – sei es ärztlicher, therapeutischer oder medikamentöser Art – noch nicht versucht bzw. noch nicht ausgeschöpft wurden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung nicht auf diese psychische Erkrankung gestützt werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 12.09.1990, 5 RJ 88/89; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.09.2016, L 7 R 2329/15; Urteil vom 27.04.2016, L 5 R 459/15). Beherrscht der Versicherte die deutsche Sprache nur unzureichend, sind alle zumutbaren Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw. psychiatrischem Fachgebiet erst nach der (erfolglosen) Durchführung einer muttersprachlichen Psychotherapie ausgeschöpft (Gerichtsbescheid vom 31.03.2017, S 21 R 1773/15; Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt, Az.: L 10 R 1959/17).
Die 1968 in der Türkei geborene Klägerin begehrte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Hierzu machte sie geltend, wegen psychischer Gesundheitsstörungen (depressive Störung, soziale Phobie, Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Anteilen) außerstande zu sein, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei bzw. sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das Gericht befragte im Wege der Amtsermittlung die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugin. Die Behandlerin gab hierbei an, wegen der psychischen Erkrankung halte sie jedwede Erwerbstätigkeit der Klägerin für ausgeschlossen. Die Klägerin beherrsche die deutsche Sprache nicht ausreichend und sie selbst beherrsche die türkische Sprache nicht. Die Behandlung sei daher erschwert.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei trotz der auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Erkrankung und der sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Soweit die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgehe, könne sich das Gericht dieser Einschätzung nicht anschließen. Im Falle der Klägerin seien nicht alle zumutbaren und möglichen Behandlungsoptionen ausgeschöpft. Psychische Erkrankung seien erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden könne – weder aus eigner Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe. Da die Klägerin die deutsche Sprache nur unzureichend beherrsche, gehöre in ihrem Falle zur Ausschöpfung aller zumutbaren Behandlungsoptionen auch die Durchführung einer muttersprachlichen Psychotherapie. Eine solche habe die Klägerin – entgegen der Empfehlung ihrer behandelnden Ärztin – bisher nicht begonnen.
IV. Gesetzliche Krankenversicherung
1. Eltern können aus dem Grundgesetz keinen Anspruch darauf ableiten, wegen ihres Aufwands für die Betreuung und Erziehung von Kindern weniger Beiträge als einfachrechtlich geregelt zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung zahlen zu müssen. Die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden „generativen Beitrags“ bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern stellt keine - die Vorgaben von Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG missachtende Ungleichbehandlung dar. Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art. 6 Abs. 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen (Gerichtsbescheid vom 27.01.2017, S 3 KR 650/16).
Die Beteiligten stritten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung des Klägers im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für seine Kinder zu reduzieren sind.
Der Kläger, der gegen Arbeitsentgelt beschäftigt und Vater von zwei in den Jahren 2008 und 2012 geborenen Kindern ist, beantragte bei der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle die beitragsmindernde Berücksichtigung seiner Erziehungsleistungen für seine Kinder in Form von Barunterhalt und Betreuung im Rahmen der Beitragserhebung zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Hierzu könne hilfsweise der in § 32 Abs. 6 Einkommens-steuergesetz genannte Betrag (steuerliches Existenzminimum) herangezogen werden.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, da es der Aufwand, den Eltern für ihre Kinder zu tragen hätten, nicht gebiete, diese von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung freizustellen oder sie ganz oder teilweise von der Beitragspflicht zu befreien. Die Beitragsbelastung sei insoweit als rechtmäßig bestätigt worden. In der Pflegeversicherung sei für Kinderlose überdies bereits im Jahr 2005 ein höherer Freibeitrag festgesetzt worden. In der gesetzlichen Krankenversicherung würden Kinder unverändert kostenfrei über ihre Eltern mitversichert.
2. Allein aus der Nichtübermittlung von Angaben über durchgeführte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation lassen sich bei der Kodierung des OPS-Kodes 8-981.1 keine Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit einer Abrechnung herleiten, da zur Erfüllung des Kodes Rehabilitationsmaßnahmen nicht zwingend durchzuführen sind (Urteil vom 20.06.2017, S 8 KR 467/16).
Im zugrundeliegenden Fall hatte die beklagte Krankenkasse - nachdem sie die Rechnung vom 20.05.2011 für den stationären Aufenthalt im April 2011 gezahlt und kein Prüfverfahren vor dem SMD innerhalb der 6-Wochen-Frist eingeleitet hatte - der Klägerin in diesem wie auch in einer Vielzahl von anderen Fällen mit Schreiben vom 23.10.2015 mitgeteilt, dass die Abrechnung sachlich-rechnerisch unrichtig sei, da bei Kodierung des OPS-Kodes 8-981.1 Angaben zu den durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hätten übermitteln werden müssen. Nach Weigerung des Klinikums, die gewünschten Daten zu übermitteln, verrechnete die Beklagte den Rechnungsbetrag, der auf den OPS-Kode entfiel, am 03.12.2015.
Die Kammer hat der Klage des Klinikums stattgegeben, da die Entscheidung des BSG (Urteil vom 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R) zum OPS-Kode 8-550 nach Auffassung der Kammer auf den hier streitigen Fall der Kodierung der OPS 8-981.1 nicht übertragbar ist. So sei die Entscheidung des BSG schon ihrem Leitsatz nach auf die frührehabilitative Komplexbehandlung beschränkt. Eine solche sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Im Gegensatz zum OPS-Kode 8-550 seien beim OPS-Kode 8-981 Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation im Sinn des § 301 Absatz 1 Nr. 8 SGB V nicht zwingend durchzuführen, da diese nur dann Mindestvoraussetzung seien, wenn beim Patienten ein entsprechendes Defizit vorliege und Behandlungsfähigkeit bestehe. Sollten im vorliegenden Fall tatsächlich Daten zu übermitteln gewesen sein, weil Rehabilitationsmaßnahmen tatsächlich erbracht wurden, hätte die Krankenkasse auf eine ihrer Ansicht nach nicht fällige Rechnung geleistet, so dass einer Rückforderung § 814 BGB entgegenstehe.
3. Die Erhebung von Beiträgen zur deutschen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus einer italienischen Altersversorgung („pensione di anzianita“) ist rechtmäßig, solange der Bezieher der Altersversorgung in der deutschen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert ist (Urteil vom 21.06.2017, S 9 KR 5689/15).
Die Klägerin arbeitete als Lehrerin zunächst in Italien und dann in Deutschland. Sie bezieht seit ihrem 45. Lebensjahr aus ihrem ehemaligen Beamtenverhältnis in Italien eine vorgezogene Altersversorgung („pensione di anzianita“). Die Beklagte hat bei der Berechnung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung diese Altersversorgung berücksichtigt und Beiträge hieraus berechnet, solange die Klägerin bei der Beklagten gesetzlich kranken- und pflegeversichert war.
Das Gericht hat die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V vergleichbare ausländische Renten und nach § 229 Abs. 1 Satz 2 SGB V vergleichbare Versorgungsbezüge beitragspflichtig seien. Die Verbeitragung verstoße auch nicht gegen europäisches Recht. Art. 30 Abs. 1 der Verordnung 883/2004 EG ermögliche ausdrücklich die Erhebung von Beiträgen aus Renten anderer Mitgliedstaaten durch den Staat, der die Kosten der Krankenversicherung des Unionsbürgers zahle. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Verbot der doppelten Beitragserhebung vor. Die italienische Kranken- und Pflegeversicherung sei steuerfinanziert, so dass die Klägerin von ihrer italienischen Altersversorgung in Italien nur Steuern, jedoch keine Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge zu entrichteten habe. Die Beitragserhebung durch die deutsche Kranken- und Pflegeversicherung sei daher zulässig.
4. Ein Anspruch auf Kostenübernahme einer bariatrischen Operation (Magenverkleinerung) besteht bei extremem Übergewicht (BMI über 40 oder über 35 mit erheblichen Begleiterscheinungen) nur dann, wenn zuvor alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Davon kann bei einer 15-jährigen Versicherten (noch) nicht ausgegangen werden (Urteil vom 09. Dezember 2016 , S 10 KR 6561/15).
5. Arbeitsunfähigkeit kann auch durch einen Arzt des MDK festgestellt werden (Urteil vom 20.03.2017, S 15 KR 3635/15).
Die Klägerin begehrte von der Beklagten Krankengeld. Ihr behandelnder Arzt bescheinigte ihr Arbeitsunfähigkeit bis zum 16.03.2015. Am 16.03.2015 wurde die Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) persönlich untersucht. Die Gutachterin des MDK führte aus, dass die Klägerin nachvollziehbar nicht leistungsfähig sei, um einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in der Bezugstätigkeit nachzugehen. Eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellte der behandelnde Arzt der Klägerin erst am 18.03.2015 aus. Die Beklagte lehnte die Zahlung von Krankengeld über den 16.03.2015 hinaus unter Hinweis auf Notwendigkeit einer fortlaufenden ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ab.
Das Gericht hob die Entscheidung der Beklagten teilweise auf. Die Klägerin habe ihren Versicherungsschutz mit Krankengeldberechtigung über den 16.03.2015 hinaus aufrechterhalten, da die Arbeitsunfähigkeit bzw. deren Fortbestehen auch über diesen Zeitpunkt hinaus lückenlos ärztlich festgestellt worden sei. Arbeitsunfähigkeit könne durch jeden Arzt, auch etwa durch einen Arzt des MDK festgestellt werden. Es müsse sich nicht notwendig um den behandelnden Arzt oder um einen Vertragsarzt handeln.
6. Bemessungsgrundlage für Beiträge aus den Versorgungsbezügen ist der Bruttobetrag, den der Versorgungsträger zur Erfüllung des Versorgungsanspruchs auszahlt (Urteil vom 26.06.2017, S 15 KR 33/17).
Der Kläger hatte im August 2014 eine Kapitalleistung der Daimler Unterstützungskasse erhalten. Daraufhin setzte die Beklagte Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung fest. Zur Beitragsberechnung wurde der Bruttobetrag der Kapitalleistung herangezogen. Der Kläger war der Auffassung, dass diese Vorgehensweise seine wirtschaftliche Leitungsfähigkeit nicht berücksichtige. Es sei als Bezugsgröße für die Ermittlung der Beiträge nicht der Bruttobetrag, sondern der um die abgeführte Einkommensteuer geminderte Nettobetrag der Kapitalabfindung zu Grunde zu legen.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Bemessungsgrundlage für die Beiträge aus den Versorgungsbezügen sei deren Zahlbetrag. Damit sei nicht der Betrag gemeint, den der Versorgungsberechtigte tatsächlich erhalte, sondern derjenige, den der Versorgungsträger (Zahlstelle) insgesamt zur Erfüllung des Versorgungsanspruchs auszahle. Damit sei der nach Anwendung einschlägiger Versagungs-, Kürzungs- oder Ruhensvorschriften auszuzahlende Bruttobetrag der Versorgungsbezüge zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen heranzuziehen; Steuerabzüge und -freibeträge seien nicht mindernd zu berücksichtigen. Dass Arbeitsentgelt, Renten und Versorgungsbezüge einheitlich mit ihrem Bruttobetrag der Beitragsberechnung zugrunde gelegt werden, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
7. Die Kosten einer stationären Behandlung in einer Privatklinik im europäischen Ausland kann der Erbe des Versicherten nicht im Rahmen des Kostenerstattungsanspruches gegenüber der Krankenkasse geltend machen (Urteil vom 11.08.2016, S 19 KR 4545/14, rechtskräftig).
Der Kläger begehrte die Kostenerstattung einer stationären Behandlung seiner verstorbenen Mutter in einer Privatklinik im europäischen Ausland. Die Kammer wies die Klage ab. Der Kostenerstattungsanspruch der versicherten Mutter sei nicht auf den Kläger als Erben übergegangen. Der Kläger sei nicht Sonderrechtsnachfolger geworden, da es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch nicht um eine laufende Geldleistung handele. Der Kostenerstattungsanspruch stelle einen Sachleistungs- und keinen Geldleistungsanspruch dar. Dies folge aus der Auslegung einer europäischen Verordnung, welche aufgrund des Auslandsbezuges hier einschlägig sei, sowie auch aus nationalem Recht. Der Kläger sei auch nicht Gesamtrechtsnachfolger geworden, denn Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen erlöschten mit dem Tod des Berechtigten (§ 59 Satz 1 SGB I).
8. Keine Kostenübernahme einer ambulanten Prostatakrebsbehandlung durch irreversible Elektroporation (IRE) (Gerichtsbescheid vom 08.06.2017, S 19 KR 4631/15, nicht rechtskräftig).
Der Kläger begehrte die Erstattung der Kosten einer ambulanten Prostatakrebsbehandlung durch irreversible Elektroporation (IRE). Die Kammer wies die Klage ab. Die (ambulante) IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms sei vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfasst. Die Krankenkassen müssten ihren Mitgliedern die für die Beschaffung dieser Behandlung als privatärztliche Leistung entstehenden Kosten daher nicht erstatten. Es stünden allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungsmethoden, wie die der Bestrahlung sowie der Prostataektomie, zur Verfügung. Dies gelte auch für den Fall, dass bei dem Kläger bereits eine Bestrahlung der Prostata vorgenommen wurde. Eine Prostataektomie könne noch durchgeführt werden. Dabei sei unbeachtlich, dass diese aufgrund der möglichen Nebenwirkungen vom Kläger nicht gewünscht sei.
9. Die Kosten einer parallel zu einer Chemotherapie erfolgenden Hyperthermiebehandlung eines an einem Lungenkarzinom Erkrankten sind nicht von der Krankenkasse zu tragen (Gerichtsbescheid vom 23.08.2016, S 27 KR 7202/14, rechtskräftig).
Der Kläger begehrte die Übernahme der Kosten einer Hyperthermiebehandlung die parallel zu Chemotherapie bei ihm erfolgt ist. Das Gericht hat die Klage abgewiesen, weil allgemein anerkannte, dem medizinischem Standard entsprechende Behandlungen, insbesondere verschiedene chemotherapeutische Maßnahmen zur Verfügung gestanden hätten, die beim Kläger auch zur Anwendung gekommen seien. Hinsichtlich der Behandlung mittels Hyperthermie fehle eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Der Gemeinsame Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen (GBA) habe sich mit der Hyperthermie bereits befasst. Er habe in seinem Beschluss vom 18.01.2005 u.a. ausgeführt, dass die bisher vorliegenden Studien keinen Nachweis des therapeutischen Nutzens alleiniger oder begleitender Hyperthermie hätten erbringen konnten; therapeutischer Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer alleinigen oder begleitenden Hyperthermiebehandlung beim Bronchialkarzinom seien nicht belegt. Er habe sogar geraten, bei solchen experimentellen Therapien Erprobungen insbesondere zum Schutz der Patienten auf die Durchführung kontrollierter Studien zu begrenzen, die geeignet seien, einen Wirksamkeitsnachweis zu führen. Hinzu komme, dass bei dem Kläger ein kapazitatives System zum Einsatz gekommen sei. Die offizielle interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie (IAH) der Deutschen Krebsgesellschaft habe in der Vergangenheit diese Methode kritisiert. Studien an Universitäten würden im Unterschied hierzu mit radiativen Systemen durchgeführt. Auch sei vorliegend nicht belegt, dass die Hyperthermie zu einer Besserung bei dem Kläger geführt habe, denn sie sei neben schulmedizinischen Behandlungsansätzen, die für sich allein schon grundsätzlich geeignet seien, Wirksamkeit zu entfalten, angewendet worden.
10. Die Kranken- und Pflegekasse sind zur Übernahme der Kosten der Reparatur eines Treppenliftes eines auf einen Rollstuhl angewiesenen Versicherten nicht verpflichtet, auch wenn beim Einbau des Treppenliftes von der Pflegeversicherung der Zuschuss für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen gewährt worden ist (Urteil vom 16.08.2016, S 27 KR 5559/14, rechtskräftig).
Der querschnittsgelähmte Kläger wohnt in einer Wohnung im ersten Stock. Er hat im Jahr 2007 einen Treppenlift einbauen lassen. Von der Pflegeversicherung hat er dazu den Zuschuss für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen in Höhe von insgesamt 2.557,- € erhalten. Unter Vorlage eines Kostenvoranschlages hat er die Übernahme der Kosten der Reparatur des Treppenlifts bei der Krankenkasse beantragt, dieser sei kaputt gegangen.
Die Kammer hat die Klage abgewiesen. Treppenlifte gehörten zu den technischen Hilfsmitteln, die der Verbesserung des individuellen Wohnumfelds eines Behinderten dienten, indem eine möglichst selbständige Lebensführung wiederhergestellt werde. Sie gehörten nicht zu den Hilfsmitteln, die von den Krankenkassen zu leisten seien und bei denen das Gesetz ausdrücklich einen Anspruch auf die notwendige Instandsetzung und Ersatzbeschaffung vorsehe. Nach § 40 Abs. 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch könnten für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen nur finanzielle Zuschüsse gewährt werden, in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung je Maßnahme ein Betrag von 2.557,- €, seither von 4.000,- €. Zur Überzeugung der Kammer hat der Gesetzgeber damit zum Ausdruck gebracht, dass er die Beteiligung auf einen einmaligen, finanziell in der Höhe begrenzten Zuschuss beschränken will und den Anspruch durch die einmalige Bezuschussung als erfüllt ansieht und eine Kostendeckung nicht beabsichtigt ist. Im Übrigen habe die Kosten wohnumfeldverbessernder Maßnahmen der Pflegebedürftige zu tragen. Dem liege zugrunde, dass die wohnumfeldverbessernden Maßnahmen sich im Gegensatz zu Hilfsmitteln nur wohnungsbezogen auswirkten. Die Gewährung eines zweiten bzw. weiteren Zuschusses komme erst in Betracht, wenn sich die Pflegesituation objektiv ändere und dadurch im Laufe der Zeit zusätzliche weitere Schritte zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes erforderlich würden. Der gesundheitliche Zustand des Klägers, somit seine objektive Pflegesituation, habe sich vorliegend jedoch nicht geändert, vielmehr sei nur der Treppenlift reparaturbedürftig geworden. Die Begrenzung für erforderliche Umbaumaßnahmen auf einen oft die Gesamtkosten nicht deckenden Zuschuss würde konterkariert, wenn die nach Einbau anfallenden Reparaturkosten übernommen werden müssten und den Zuschuss sogar übersteigende Folgekosten zu übernehmen wären.
11. Vitamin- und Mineralienpräparate aus dem Dr. Rath Zellular-Programm gehören nicht zu den verordnungsfähigen Arzneimitteln. Sie sind keine Kassenleistung (Urteil vom 20. 01. 2017, S 16 KR 3261/13.)
Die Versicherte beantragte bei der Krankenkasse die Versorgung mit Präparaten, die sie von der Firma Dr. Rath Health Programs B.V. aus den Niederlanden bezog. Die Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme ab. Das Gericht wies die Klage ab: Die Produkte des Dr. Rath Zellvitalstoff-Programms zählten nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Ihnen fehle die arzneimittelrechtliche Zulassung, die Voraussetzung für eine ärztliche Verordnung als Arzneimittel im Kassensystem sei. Auch als Nahrungsergänzungsmittel könnten die Präparate regelmäßig nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden.
V. Gesetzliche Unfallversicherung
1. Es besteht kein weitergehender Anspruch auf Heilbehandlung gegenüber der Berufsgenossenschaft für das Jahr 2014, wenn der versicherte Arbeitnehmer auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstelle bei einem Auffahrunfall im Februar 2012 lediglich eine Zerrung der Halswirbelsäule (HWS) leichter Art erlitten hat. Für derartige Verletzungen ist durchschnittlich von einer Behandlungsbedürftigkeit von 4 Wochen auszugehen (Urteil vom 03.08.2016, S 1 U 3077/15; rechtskräftig).
Das Gericht hat einen Anspruch auf unfallbedingte Heilbehandlung bzw. deren Kostenerstattung im Jahr 2014 verneint und zur Begründung u.a. ausgeführt, aus den Ermittlungen folge, dass es sich bei dem Auffahrunfall um einen Kleinstunfall gehandelt habe, der nach den ärztlichen Befunden lediglich eine verheilte Zerrung der Halswirbelsäule ohne knöcherne Verletzung verursacht habe.
Nach der klinischen und morphologischen Klassifikation von Störungen bei Halswirbelsäulendistorsionen sei eine leichte Halswirbelsäulendistorsion dahingehend definiert, dass bei ihr Schmerzen der Halsmuskulatur und/oder HWS, die bewegungseingeschränkt sein könne, meist nach einem Intervall (steifer Hals) vorlägen. Ein symptomfreies Intervall sei dabei häufig und dauere meist mehr als 1 Stunde, maximal 48 Stunden, typischerweise 12 - 16 Stunden an. Danach träten Beschwerden mit einer Dauer von Tagen bis Wochen, in der Regel weniger als 1 Monat, auf. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit werde mit 0 - 4 Wochen angenommen. Neurologisch träten keine Ausfälle auf, evtl. eine Bewegungseinschränkung der HWS.
Vergleiche man diese Klassifikation mit den nachgewiesenen Befunden beim Kläger, so stimmten diese im Wesentlichen überein. Der Kläger habe selbst ausdrücklich angegeben, dass er lediglich 16 Tage arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, und habe dazu den dies bestätigenden Arztbericht seines Orthopäden vorgelegt.
Der behandelnde Neurologe weise auf die von ihm im September 2012 befundeten, verhärteten Nackenmuskeln (Myogelosen) hin, die zu Schmerzen im Nacken führten. Er teile dazu mit, dass diese ausschließlich bei sportlicher Belastung (Joggen) auftreten. Bestätigung finde dies durch die Befunderhebung des behandelnden Orthopäden, der davon berichte, dass bei seiner letzten Untersuchung im Oktober 2014 die Beweglichkeit der HWS beim Kläger nicht mehr eingeschränkt gewesen sei und dieser über Nackenschmerzen nur noch hauptsächlich nach Anstrengungen, insbesondere nach bereits kurzem Joggen, geklagt habe. Das Gericht hat deshalb die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.
2. Eine errechnete Einwirkung von maximal 4,3 Benzoljahren ist zu gering, um nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine chronisch lymphatische Leukämie, die zu den Non-Hodgkin-Lymphomen und zu den Krankheitsbildern der Berufskrankheit (BK) Nr. 1318 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) gerechnet wird, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu verursachen.
Das Gericht hat die Anerkennung der Leukämieerkrankung des Klägers als BK nach Nr. 1318 der BKV (Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol) abgelehnt, zumal auch die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs für die Feststellung der streitigen BK nicht ausreichend ist (Urteil vom 03.08.2016, S 1 U 1736/15; rechtskräftig).
Der 1948 geborene Kläger teilte der Beklagten 2014 mit, dass er seit November 2006 an einer chronisch lymphatischen Leukämie erkrankt sei, die er auf seine über 20 Jahre in einem Galvanikbetrieb verrichtete berufliche Tätigkeit zurückführe.
Die daraufhin eingeleiteten Ermittlungen der Berufsgenossenschaft ergaben, dass der Kläger Spritzgusswerkzeuge mit Waschbenzin, das zeitbedingt Benzolanteile enthalten habe, bei seiner Arbeitstätigkeit gereinigt habe. Der Benzolgehalt in Waschbenzin sei sehr viel geringer gewesen als in Ottokraftstoffen und ab dem Jahr 1992 praktisch auf Null reduziert worden . In einer „worst case“-Berechnung und unter Berücksichtigung aller Angaben des Klägers zu seiner Expositionsbelastung sei von schädigenden Einwirkungen im Umfang von maximal 4,3 Benzoljahren auszugehen.
Zur Begründung hat das Gericht u.a. ausgeführt, die Nummer 1318 der Berufskrankheitenliste sei mit Wirkung vom 01.09.2007 für die durch Benzol verursachten Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems aus der BK Nr. 1313 ausgegliedert und als eigene BK in die BKV aufgenommen worden. Aus der wissenschaftlichen Begründung zur BK 1318 (vgl. Bekanntmachung des BMAS vom 01.09.2007) ergebe sich, dass Benzolbelastungen unter bestimmten Bedingungen bösartige Erkrankungen des myeloischen und lymphatischen Systems verursachten. Epidemiologische Studien wiesen auf die Verursachung sowohl durch kürzere hohe wie auch länger andauernde Belastungen hin. Wegen der schwierigen Abgrenzung der „bestimmten Personengruppe“ nach § 9 Abs. 1 SGB VII sei die Angabe eines Dosisgrenzwertes für die Anerkennung der BK nicht möglich (Merkblatt zur BK Nr. 1318, Bekanntmachung des BMAS vom 30.12.2009). Die Aufnahme von Benzol in den Körper erfolge sowohl über die Atmung als auch über die Haut. Zu beachten seien deshalb Arbeiten unter ungünstigen arbeitshygienischen Bedingungen mit großflächiger Benetzung der Haut. Zu beachten sei auch, dass benzolhaltige Produkte in früheren Jahrzehnten als preiswerte und effektive organische Lösungsmittel in zahlreichen Gewerbebereichen und im Handwerk zur Anwendung gekommen seien. So seien diese in großem Umfang als Löse- und Reinigungsmittel u. a. in Druckereien, Waffenfabriken, Metallverarbeitungen und anderen Betrieben sowie als Verdünner von flüssigen Klebern verwendet worden. Dabei sei auch zu beachten, dass der Benzolgehalt von technischen Benzingemischen (Waschbenzin, Reinigungsbenzin, Testbenzin) bis in die 70-er Jahre vereinzelt auch ohne entsprechende Kennzeichnung bis zu 30 % oder höher betragen habe.
Weil die Angabe eines Dosisgrenzwertes für die Anerkennung der BK 1318 nicht möglich sei, seien im Merkblatt Hinweise für die Einzelfallprüfung enthalten. Aus der Zuordnung zu einem bestimmten Krankheitsbild ergeben sich danach für die Kausalitätsprüfung unterschiedliche Anforderungen an die Belastung. Zunächst sei zu unterscheiden zwischen nicht malignen toxischen und malignen Erkrankungen. Hinsichtlich der Abgrenzung der betroffenen Personengruppe seien die malignen Krankheitsbilder in zwei Gruppen eingeteilt. In Gruppe A werden Krankheitsbilder mit epidemiologischer Information zur Dosis-Wirkungs-Beziehung erfasst. Für diese Gruppe von Erkrankungen bestehe der epidemiologische Nachweis einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos gegenüber der Allgemeinbevölkerung bei einer entsprechend hohen kumulativen beruflichen Benzolexposition. Die chronisch-lymphatische Leukämie gehöre zu dieser Gruppe (vgl. Merkblatt S. 7 sowie Tabelle 1).
Nach dem Merkblatt (S. 8) sei besonders problematisch für die dermale Aufnahme von Benzol der Gebrauch zur Reinigung der Hände oder zur Säuberung bzw. Entfettung größerer Oberflächen mit einem durchtränkten Lappen. Nach den Schlussfolgerungen der wissenschaftlichen Begründung zur BK Nr. 1318 sei für die chronisch-lymphatische Leukämie aus der Gesamtschau der gegenwärtigen epidemiologischen und toxikologischen Evidenz von einer Verursachungswahrscheinlichkeit über 50 % ab einem Bereich von 10 ppm-Benzoljahren auszugehen. Weil diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, hat das Gericht die Klage abgewiesen.
Die vom Kläger eingelegte Berufung wurde von diesem zurückgenommen, womit das Urteil rechtskräftig ist.
VI. Verfahrensrecht
1. Die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, entfällt nur für die Verminderung von Versorgungsbezügen ex nunc – also für die Zukunft. Aufschiebende Wirkung besteht hingegen im Hinblick auf die Herabsetzung/Entziehung von Versorgungsbezügen für die Vergangenheit (Beschluss vom 18. Mai 2017, S 26 VK 2422/17 ER; rechtskräftig).
Die Kammer hat festgestellt, dass die Klage gegen den im Hauptsacheverfahren streitgegenständlichen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids insoweit aufschiebende Wirkung hat und damit nicht von der Verwaltung vollstreckt werden kann, als der Beklagte Versorgungsbezüge – im konkreten Fall Ausgleichsrente und Schadensausgleich – für die Vergangenheit neu festgestellt hat. Denn grundsätzlich hätten Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung und die Behörde könne, solange der Rechtsbehelf anhängig sei, keine Wirkungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt ableiten. Der eng auszulegende Wortlaut des § 86a Absatz 2 Nr. 2 SGG, nach dem die aufschiebende Wirkung in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts bei Verwaltungsakten entfällt, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, umfasse nur die Herabsetzung der Versorgungsbezüge für die Zukunft, nicht indes für die Vergangenheit. Bei der Herabsetzung handele es sich um eine teilweise Entziehung. Eine Entziehung sei nach ihrem Wortsinn prinzipiell auf die Zukunft gerichtet. Die Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG, Beschluss vom 09.01.2003, Az. L 13 AL 4260/02, ER-B), nach der die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auch in Bezug auf Verwaltungsakte der Bundesanstalt für Arbeit eintrete, die Leistungen für die Vergangenheit entzögen oder herabsetzten, lasse sich nicht auf den Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts übertragen, da hier anders als im SGB III Leistungen nicht nur kurzfristig zu erbringen und zu beenden seien.
2. Wurde eine sachverständige Zeugin, nachgewiesen durch Zustellungsurkunde, zu einem gerichtlichen Termin mit der Ladung ausdrücklich auf die Rechtsfolgen im Fall ihres unentschuldigten Ausbleibens hingewiesen und hat sie ihr Ausbleiben im Termin nicht rechtzeitig genügend entschuldigt, so ist gegen sie nach § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 380 Abs. 1 ZPO ein Ordnungsgeld festzusetzen. Die verspätete Vorlage eines Befundberichts gebietet die Aufhebung der Maßnahme nach § 380 Abs. 1 ZPO nicht (Beschluss vom 16.2.2107, S 18 SF 5927/16 RH; LSG, Beschluss vom 29.3.2017, L 1 SF 982/17 B).
Zur Erfüllung ihrer Amtsermittlungspflicht können Behörden nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 SGB X Zeugen vernehmen oder die schriftliche Äußerung von Zeugen einholen. Nach § 21 Abs. 3 S. 2 SGB X besteht für Zeugen eine Pflicht zur Aussage, wenn die Aussage zur Entscheidung über die Erbringung von Sozialleistungen unabweisbar ist. In Verfahren des Schwerbehindertenrechts werden regelmäßig die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Kommen sie der behördlichen Aufforderung, über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Antragsteller zu berichten oder Arztberichte vorzulegen, nicht nach, kann die jeweilige Behörde nach § 22 Abs. 1 SGB X das zuständige Sozialgericht um die Vernehmung des Zeugen ersuchen.
Im vorliegenden Fall hatte das Sozialgericht daraufhin die Ärztin und sachverständige Zeugin aufgefordert, dem Ersuchen der Behörde nachzukommen und die ihr übersandten Beweisfragen zu beantworten. Das Gericht hatte angekündigt, dass - sollten die Beweisfragen nicht beantwortet werden - ein Termin zur Beweisaufnahme anberaumt würde. Nachdem die Zeugin die Frist verstreichen ließ, setzte das Gericht einen Beweistermin für den 15.2.2017 an. Es teilte mit, dass der Termin aufgehoben werden könne, wenn bis zum 10.2.2017 die Beweisfragen beantwortet würden. Zu dem Termin erschien die Zeugin nicht. Auch lag der Kammervorsitzenden der Befundbericht, den die Zeugen am 13.2.2017 zur Post gegeben hatte, nicht vor. Der Bericht war zwar am 15.2.2017 beim Sozialgericht eingegangen, wurde der Kammervorsitzenden aber erst am 16.2.2017 vorgelegt. Mit Beschluss vom 16.2.2017 setzte die Kammervorsitzende ein Ordnungsgeld i.H.v. 300 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft von zwei Tagen gegen die Zeugin fest. Der Zeugin wurden außerdem die durch ihr Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Die Vorlage des Befundberichts wurde nicht als rechtzeitige Entschuldigung im Sinne des § 381 Abs. 1 ZPO gewertet. Der Zeugen sei vorzuhalten, dass sie aufgefordert worden sei, den Bericht bis zum 10.2.2017 vorzulegen. Da sie den Bericht erst am 13.2.2017 zur Post gegeben habe, habe sie sich nicht darauf verlassen können, dass der Befundbericht der zuständigen Kammervorsitzenden rechtzeitig vorlag.
Die Entscheidung wurde mit Beschluss vom 29.3.2017 durch das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigt. In dem Beschluss wurde darauf hingewiesen, dass die Zeugin das Sozialgericht zumindest telefonisch hätte informieren müssen, dass sie den Bericht abgeschickt habe. Das Landessozialgericht wies außerdem darauf hin, dass Ordnungsmittel nach § 380 Abs. 1 ZPO nicht nur präventive, sondern auch repressive Züge aufwiesen.
VII. Vertragsarztrecht
1. Auch wer als Vertragsarzt vom Notfalldienst befreit ist, ist verpflichtet, zur Sicherstellung des organisierten Notfalldienstes eine Sicherstellungsumlage zu erbringen (Urteil vom 29.05.2017, S 5 KA 6466/15).
Der Kläger war als praktischer Arzt mit der Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung zugelassen. Wegen einer Erkrankung war er von der Teilnahme am organisierten Notfalldienst befreit. Aus wirtschaftlichen Gründen war er auch von der Gestellung eines Vertreters für den Notfalldienst befreit. Die Kassenärztliche Vereinigung forderte von ihm dennoch die Sicherstellungsumlage für den organisierten Notfalldienst (sog. Kopfpauschale) in Höhe von 59 € monatlich. Hiergegen wandte sich der Kläger.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Gericht entscheid, dass die im Statut der Notfalldienstordnung vom 01.01.2014 festgelegte umsatzunabhängige monatliche Kopfpauschale rechtmäßig ist. Auch der wegen persönlicher Gründe von der persönlichen Pflicht zur Teilnahme am Notfalldienst befreite Arzt könne aus Gründen der Sicherstellung des organisierten Notfalldienstes zur Finanzierung (weiterhin) herangezogen werden. Denn bei der Gewährleistung und der Verbesserung der Notfallversorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen handele es sich um Maßnahmen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung. Die finanziellen Aufwendungen für solche Maßnahmen seien grundsätzlich von allen Kassenärzten zu tragen, also auf diese nach einem einheitlich geltenden Maßstab umzulegen.
2. Die vom Vertragsarzt nach § 57 Bundesmantelvertrag-Ärzte vorzunehmende Dokumentation seiner ärztlichen Leistungen muss vollständig, in sich widerspruchsfrei und lesbar sein. Eine völlig unleserliche Handschrift - nach Angabe des Klägers eine geradezu typische „Doktorschrift“ - genügt diesen hohen Anforderungen nicht (Urteil vom 14.09.2016, S 24 KA 235/14).
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung kürzte die vom Kläger, einem HNO-Arzt, gestellten Honorarabrechnungen für mehrere Quartale im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106a SGB V aF, da sie seine handschriftliche Dokumentation nicht lesen und so nicht überprüfen konnte, ob der Inhalt der vom Kläger abgerechneten Gebührenziffern vollständig erbracht worden war. Das Sozialgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen, da auch ihm nicht einmal unter Zuhilfenahme einer vom Kläger später erstellten maschinenschriftlichen Abschrift eine ansatzweise Entzifferung der Handschrift möglich war. Da im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit die Dokumentation Voraussetzung für die Nachprüfung korrekter Diagnostik, Therapie und Abrechnung sei, berechtige eine fehlende oder unvollständige Dokumentation zur sachlich-rechnerischen Berichtigung durch die Beklagte.
3. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Vertragsärzte muss bei der Feststellung einer grundsätzlich unwirtschaftlichen Medikamentenmehrverordnung gegebenenfalls eine Abwägung mit den Patienteninteressen stattfinden. Dabei kann sich wegen besonderer Umstände - beispielsweise Verlieren des noch nicht eingelösten Rezeptes durch den Patienten - auch ergeben, dass eine „Zuviel-Verordnung“ durch den Arzt im Einzelfall nicht unwirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V war (Urteil vom 13.04.2017, S 24 KA 7/14).
Die klagende Krankenkasse stellte einen Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise im Einzelfall bei den beklagten Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen Baden-Württemberg nach § 106 SGB V i.V.m. § 7 der Prüfvereinbarung Baden-Württemberg. Sie beanstandete Verordnungen für ein Medikament zur Immuntherapie bei einer HIV-Infektion, das der beigeladene Vertragsarzt in geringfügig höherem Umfang als angesichts des zeitlichen Ablaufs erforderlich an einen Patienten verordnet hatte.
Das Sozialgericht hat - wie auch die Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen - jedoch die Umstände des Einzelfalls gewürdigt und war der Ansicht, dass dem Arzt dennoch kein Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit zur Last gelegt werden könne. Denn bei dem Patienten handele es sich um einen obdachlosen Drogenabhängigen in schwierigen sozialen Verhältnissen, der mehrfach für den Arzt glaubhaft angegeben habe, seine Rezepte bzw. seine HIV-Medikamente verloren zu haben, sodass die Entscheidung des Arztes, ein erneutes Rezept auszustellen, um den Erfolg der Therapie nicht zu gefährden, nachvollziehbar und nicht unwirtschaftlich gewesen sei.
4. Nach § 13 Abs. 1 und 19 Abs. 1 BMV-Ä und §§ 7, 23 EKV-Ä weist der Berechtigte seinen Anspruch auf vertragsärztliche Versorgung durch Vorlage der Krankenversichertenkarte nach. Der Versicherte ist grundsätzlich verpflichtet, bei jedem Arztbesuch die Krankenversichertenkarte vorzulegen.
Lediglich in wenigen, bundesmantelvertraglich normierten Fällen besteht die Möglichkeit der Abrechenbarkeit vertragsärztlicher Leistungen über das sog. Ersatzverfahren. Das sind Notfälle (Ziffer 2.1 des Anhangs 1 zur Anlage 4a zum BMV-Ä) und die in Ziffer 2.4. des Anhangs 1 zur Anlage 4a zum BMV-Ä genannten Situationen, insbesondere Fälle, in denen die Kranken-versichertenkarte aus technischen Gründen nicht verwendet werden kann.
Werden jedes Quartal Patienten in großer Zahl ohne Vorlage der Kranken-versichertenkarte behandelt (circa 1.000 Patienten pro Quartal), ist die Honorarberichtigung durch die KV unvermeidlich, um die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten (Urteil vom 13.06.2017, S 20 KA 5439/14).
Die Klägerin wendete sich gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarbescheide für die Quartale 3/2008 bis 4/2012 in Höhe von insgesamt 225.685,37 €. Zur Begründung der Richtigstellung führte die beklagte KVBW aus, dass die Auswertung der Abrechnungen unter Hinzuziehung der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergeben habe, dass bei einer Vielzahl von Behandlungsfällen lediglich eine telefonische Beratung durchgeführt wurde. Diese telefonischen Kontakte hätten sich zum großen Teil über mehrere Quartale, teilweise sogar über Jahre erstreckt. Es sei hier nie zu einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gekommen. Des Weiteren fehle in durchschnittlich fast 50% der Behandlungsfälle die Einlesedaten der Krankenversichertenkarte.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Es mangele an schlüssigen Erklärungen der Klägerin, weshalb sie jedes Quartal Patienten in großer Zahl ohne Vorlage der Krankenversichertenkarte behandelt habe (bspw. im Quartal 2/2010: 1.132 von insgesamt von 2.186 behandelten Patienten). In einer solchen Situation reiche es nicht mehr aus, die Ermittlungsergebnisse der Beklagten wiederum anzuzweifeln und einen Nachweis dafür zu fordern, dass diese Patienten nicht in der Praxis der Klägerin gewesen bzw. behandelt worden sind.
5. Humangenetische Leistungen können quotiert vergütet werden, die kassenärztliche Vereinigung darf jedoch die Auszahlungsquote nicht wegen im Vorquartal zuviel bezahlter Gelder kürzen (Urteil vom 20.06.2017, S 20 KA 26/15).
Das klagende MVZ wendete sich gegen die Kürzung der Vergütung für die Leistungen der Humangenetik betreffend das Quartal 1/2014. Das Gericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Zwar können auch humangenetische Leistungen grundsätzlich quotiert vergütet werden (vgl. BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 44/14 R - juris, Rn. 63), jedoch hat die beklagte KVBW - nach eigenem Vortrag - die von der KBV zwingend vorgegebenen Berechnungsschritte und die in ihren HVM übernommenen Grundlagen für die Bildung des sog. Grundbetrages missachtet, indem sie die Auszahlungsquote von 67,54 % auf 58,25 % eigenmächtig herabgesetzt hat. Hintergrund dieser Herabsetzung der Quote war folgender Sachverhalt: Aufgrund eines Abrechnungsproblems einer humangenetischen Praxis im vorangegangenen Quartal 4/2013 wurde in der Quotenberechnung für dieses Quartal circa eine Million Euro an Leistungsbedarf zu viel eingestellt, was zu einer zu hohen Auszahlungsquote im Quartal 4/2013 geführt hatte. Die KVBW hat diese im Vorquartal zu viel ausbezahlten Gelder in Höhe von 1.040.690,00 € beim Vergütungsvolumen betreffend „genetisches Labor“ für das Quartal 1/2014 zurückgestellt, um somit die im Vorquartal 4/2013 zu viel ausbezahlten Gelder wieder auszugleichen. Für diese Vorgehensweise gibt es - nach Ansicht des Gerichts - weder im HVM noch in den Vorgaben der KBV eine Rechtsgrundlage. Soweit es in den vorangegangenen Quartalen zu Fehlern bei der Berechnung der Vergütungsquote gekommen sein sollte, hätte dem durch eine Korrektur der Honorarbescheide für das entsprechende Quartal Rechnung getragen werden müssen.
VIII. Pflegeversicherung
1. Kommt der MDK in zwei Gutachten zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass der Pflegebedarf in der Grundpflege lediglich 1 Minute beträgt, so besteht für das Gericht keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten von Amts wegen in Auftrag zu geben, wenn sich der Vortrag der Klägerin pauschal darauf beschränkt, es seien nicht alle pflegerelevanten Zeiten erfasst worden (Urteil vom 30. Juni 2017, S 10 P 5091/16).
XI. Elterngeld
1. Eltern von Zwillingen, welche mit einem zeitlichen Abstand von mehr als einem Tag geboren werden (sogenannte zweizeitige Geburt) haben nur einmal Anspruch auf die Gewährung von Elterngeld. Der Tatsache der Geburt von mehr als einem Kind wird durch den Mehrlingszuschlag Rechnung getragen (Urteil vom 24.05.2017, S 9 EG 5820/16).
Die Klägerin war mit Zwillingen schwanger. Der erste Sohn kam am 06.06.2016 zur Welt. Der weitere Zwilling verblieb dagegen noch mehr als einen Monat im Mutterleib und kam am 09.07.2016 zur Welt. Die Eltern der Kinder beantragten jeweils für jedes Kind gesondert die Gewährung von Elterngeld und führten zur Begründung an, dass es sich nicht um eine Mehrlingsgeburt gehandelt habe. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), wonach bei einer Mehrlingsgeburt nur ein Anspruch auf Elterngeld besteht, sei nicht anwendbar. Die Beklagte hat dagegen in den angefochtenen Bescheiden der Mutter und dem Vater der Kinder jeweils nur einmal Elterngeld mit Mehrlingszuschlag gewährt.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass unstreitig eine Zwillingsschwangerschaft vorgelegen habe. Die erst durch den medizinischen Fortschritt in den letzten Jahren entstandene Möglichkeit, dass ein Kind zur Welt komme und das andere noch im Mutterleib verbleibe und somit die Zwillinge an unterschiedlichen Tagen mit möglicherweise erheblichem zeitlichen Abstand geboren würden, führe nicht zu einem doppelten Elterngeldanspruch. Zweck des Elterngeldes sei es, das durch die Erziehung und Betreuung des Kindes ausfallende Einkommen zu ersetzen. Dieses falle indes bei jedem Elterngeldbezieher auch bei Zwillingen nur einmal aus. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Geburt würde nach Auffassung des Gerichts zu willkürlichen Ergebnissen und einer Ungleichbehandlung zwischen Zwillingseltern mit Geburtstermin beider Kinder an einem Tag und an unterschiedlichen Tagen führen, da dies letztlich vom Zufall und - wie im vorliegenden Fall - von medizinischen Faktoren abhänge. Im Übrigen trage der Gesetzgeber der Tatsche der Geburt von mehr als einem Kind durch die Gewährung eines Zuschlages zum Elterngeld (Mehrlingszuschlag) Rechnung.
XII. Opferentschädigung
1. Eine Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz für „andere Kriegsopfer“ im Sinne des § 7 Absatz 1 Nummer 3 BVG, bei denen die Schädigung in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet eingetreten ist, setzt voraus, dass das Kriegsopfer seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundesversorgungsgesetz hat (Gerichtsbescheid vom 26.05.2017, S 26 VK 353/16; noch nicht rechtskräftig).
Der Kläger, der russischer Staatsangehöriger ist und in Moskau wohnt, begehrt Beschädigtenversorgung, nachdem er als damals fünfjähriger Junge 1942 bei einem Artillerieangriff der deutschen Wehrmacht im von der Wehrmacht besetzten Gebiet verletzt wurde. Die Kammer hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzung des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Vorschrift des Bundesversorgungsgesetzes über den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes beziehe sich ausweislich des Wortlautes und der Gesetzesbegründung nicht lediglich auf die Hinterbliebenen von Kriegsopfern, sondern auch auf die in Variante 1 der Vorschrift genannten „anderen Kriegsopfer“. Bei einer Betroffenheit von Kriegsschäden in von der Wehrmacht besetzten Gebieten fehle es an einer hinreichend engen Verbundenheit („genuine link“) zur Bundesrepublik Deutschland, um eine Entschädigungspflicht für Personen zu begründen, die weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundesversorgungsgesetzes hätten. Es stehe im Ermessen der Exekutive bzw. der Legislative, eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit etwa durch den Abschluss entsprechend bilateraler Abkommen zu begründen.