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Pressemitteilung vom 16.04.2015
Datum: 16.04.2015
Kurzbeschreibung: In Heilbronn lebende polnische Arbeitnehmerin hat Anspruch auf aufstockende Hartz IV-Leistungen, auch wenn sie nur geringfügig beschäftigt ist!
Die im Februar 1987 geborene Klägerin M. ist polnische Staatsbürgerin. Da sie nach ihrem Soziologiestudium in ihrer Heimat keinen Arbeitsplatz fand, reiste sie 2011 erstmals nach Deutschland ein, besuchte auf eigene Kosten einen Deutschkurs bei der Volkshochschule und arbeitete zunächst als Altenpflegekraft, dann als Küchenhelferin, bis sie ihre Stelle Ende Juli 2012 betriebsbedingt verlor. Anschließend bezog sie Arbeitslosengeld bis Anfang April 2013, arbeitete nebenher als Reinigungskraft 12 Stunden im Monat (für einen höheren Arbeitseinsatz hatte ihr Arbeitgeber keinen Bedarf) und bewarb sich parallel auf zahlreiche offene Stellen. Von Juni 2013 arbeitete M. in Vollzeit bei einer Zeitarbeitsfirma als Produktionsmitarbeiterin und konnte ab da ihren Lebensunterhalt wieder durchgehend selbst bestreiten. Im April und Mai 2013 stand ihr nur das geringe Einkommen als Reinigungskraft von jeweils rund 106€ zur Verfügung. Sich insoweit über ein gegenteiliges Votum des zuständigen Sachbearbeiters hinweg setzend, lehnte es das Jobcenter Stadt Heilbronn ab, M. für diese beiden Monate aufstockende Hartz IV-Leistungen zu gewähren: Diese sei im April und Mai 2013 gar keine Arbeitnehmerin gewesen, weil sie nur eine völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit ausgeübt habe. Da sich ihr Aufenthaltsrecht damit allein aus der Arbeitssuche ableite, sei sie von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg: M. habe als Arbeitnehmerin im streitigen Zeitraum April/Mai 2013 Anspruch auf aufstockende SGB II-Leistungen. Auch unter Berücksichtigung des geringen Arbeitsumfangs von rund drei Stunden wöchentlich sei die seinerzeitige Tätigkeit als Reinigungskraft nicht als völlig untergeordnet oder unwesentlich anzusehen. Immerhin habe M. ihren Gesamtbedarf iHv rund 552€ (bestehend aus Hartz IV-Regelsatz von seinerzeit 382€ zzgl. Unterkunftskosten von 170€ für eine 17qm kleine Wohnung) rund zu einem Fünftel decken können. Zudem sei M. als vollständig integriert in den deutschen Arbeitsmarkt anzusehen. Sie habe auch alle Arbeitsmöglichkeiten, die sich ihr angeboten hätten, für sich genutzt. Insbesondere habe sie die neunmonatige Tätigkeit als Reinigungskraft aufgegeben, sobald sich ihr (im Juni 2013) bessere Verdienstmöglichkeiten ergeben hätten.
Anmerkung: Inzwischen macht M. eine Ausbildung zur Krankenschwester. Sie lebt allein in Heilbronn und bezieht keine Sozialleistungen.
Az.: S 10 AS 3035/13 (M. ./. Jobcenter Stadt Heilbronn, Urteil vom 18.2.2015)
Hinweis zur Rechtslage:
§ 7 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] - Grundsicherung für Arbeitsuchende -: Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Ausgenommen sind (…) Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (…). Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt. (…) § 2 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU): (1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. (…) (2) Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind (...) Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer (...) aufhalten wollen (...). |
Ergänzender Hinweis:
Auf die Berufung des unterlegenen Jobcenters Stadt Heilbronn haben die Beteiligten vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg am 08.09.2015 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen (Az.: L 7 AS 1770/15).