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Pressemitteilung vom 08.03.2019
Datum: 08.03.2019
Kurzbeschreibung: Mietobergrenzen in Heilbronn rechtswidrig - „schlüssiges Konzept“ der Stadt Heilbronn zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze ungeeignet!
Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass die Mietobergrenzen in Heilbronn nicht auf einem rechtmäßigen
„schlüssigen Konzept“ beruhen.
Geklagt hatten die im Hartz IV-Bezug stehenden M und T. Die 1973 geborene M ist die Mutter der 1995 geborenen T. 2017 lebten sie in einer
67 m² großen Zweizimmerwohnung in Heilbronn. Für ihre Miete bezahlten sie im streitigen Zeitraum Juli und August 2017
monatlich 587 € (530 € Kaltmiete, 50 € Nutzungsentgelt für eine Einbauküche sowie 7 € für kalte
Nebenkosten). Das Jobcenter Stadt Heilbronn übernahm die Unterkunftskosten unter Berufung auf ein von der Firma A entwickeltes
„schlüssiges Konzept“ jedoch nur teilweise in Höhe von 470 €. Hiernach betrage die abstrakt angemessene
Nettokaltmiete 463 € zuzüglich kalter Betriebskosten i.H.v. 7 €.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich: Das „schlüssige Konzept“ der Stadt Heilbronn sei unwirksam, urteilte das
Heilbronner Sozialgericht am 13. Februar 2019. Die Datenerhebung sei in wesentlichen Teilen nicht valide. So habe die von der Stadt
Heilbronn beauftragte Firma die zu Grunde gelegten Wohnungsanzeigen nicht im Original (z.B. als Screenshot) archiviert, sondern
Wohnungsdaten lediglich mit einem Computerprogramm automatisch in eine Datenbank übertragen. Ob bei dieser maschinellen
Übertragung relevante Vermietungshindernisse für Leistungsbezieher vorgelegen hätten, könne retrospektiv nicht mehr
festgestellt werden. Denn in der verwendeten Suchmaske hätten die relevanten Daten gar nicht aufgenommen werden können - wie
z.B., dass manche Vermieter nur bereit sind, an eine einzelne Person oder gegen Zahlung einer Ablösesumme für eine
Einbauküche zu vermieten. Im Erhebungszeitraum November 2015 bis April 2016 seien auch lediglich 65 Angebotsmieten für
entsprechende Zweipersonenhaushalte zugrunde gelegt worden, wobei die von der Stadt Heilbronn beauftragte Firma selbst davon ausgehe, dass
nur rund 15 % dieser 65 Angebote (also knapp 10) auf Bedarfsgemeinschaften entfallen können. Diesen 10 potentiellen Wohnungsangeboten
seien mehr als 300 wohnungssuchende Zweipersonenhaushalte gegenüber zu stellen, die im Leistungsbezug des SGB II bzw. SGB XII (Hartz
IV/Sozialhilfe) stehen und denen nach den Angaben des Beklagten nicht die vollen Kosten der Unterkunft bewilligt würden, da die
Unterkunftskosten über den Mietobergrenzen des schlüssigen Konzeptes lägen. All diese würden nun um den Wohnraum von 45
bis 60 m² zu einer Bruttokaltmiete von knapp 470 € konkurrieren. Hinzu kämen übrige Bevölkerungsgruppen, die in
diesem Bereich auf Wohnungssuche seien (wie beispielsweise Auszubildende, Studenten, Wohngeldbezieher oder Wochenendpendler). Es liege auf
der Hand, dass bei pro Halbjahr nur knapp 10 in Betracht kommenden freien Wohnungsangeboten die Möglichkeit, angemessenen Wohnraum zu
finden, nahezu ausgeschlossen sei. Aufgrund der Unwirksamkeit des schlüssigen Konzeptes sei nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung daher auf die Werte der Wohngeldtabelle zurückzugreifen. Auch wenn dem Urteil nur ein Zweipersonenhaushalt zugrunde
liege, dürften die maßgeblichen Erwägungen auf sämtliche vom schlüssigen Konzept erfassten Haushalte
übertragbar sein.
Az.: S 7 AS 1912/17 (M. und T. ./. Jobcenter Stadt Heilbronn, Urteil vom 13. Februar 2019, nicht rechtskräftig; die Berufung wurde
wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen)
Anmerkung: Derzeit sind zahlreiche, mit Blick auf das „Musterverfahren“ ruhend gestellte Klagen beim Sozialgericht
anhängig, in denen ebenfalls streitig ist, bis zu welcher Höhe die Mietkosten von Hartz IV- sowie Sozialhilfeempfängern in
Heilbronn zu übernehmen sind. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der angemessene Quadratmeterpreis einer Wohnung sowohl
für die Miete selbst als auch für die Mietnebenkosten mittels eines schlüssigen Konzepts für einen Vergleichsraum zu
ermitteln. Ein solches Konzept muss eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass es die aktuellen Verhältnisse des
örtlichen Wohnungsmarktes wiedergibt.
Hinweis zur Rechtslage:
§ 22 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - [SGB II] - Bedarfe für Unterkunft und Heizung (Auszug)
Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. (…)