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Pressemitteilung vom 05.02.2019
Datum: 05.02.2019
Kurzbeschreibung: Weiterleitung von Rehabilitationsantrag an zuständigen Träger versäumt: Rentenversicherung muss mehr als 22.000 € für von Versicherten selbst gezahlte Rehabilitationsmaßnahme zahlen!
Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass die beklagte Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg der Witwe und
Rechtsnachfolgerin des im November 2016 verstorbenen V mehr als 22.000 € für eine von diesem selbst gezahlte
Rehabilitationsmaßnahme zu erstatten hat:
Geklagt hatte der 1958 geborene und zuletzt als Bereichsleiter in einem IT-Dienstleistungsunternehmen tätige V. Im Februar 2012 erlitt
er einen Hirninfarkt. Nach akutmedizinischen Behandlungen mit mehreren operativen Eingriffen sowie zwei
Frührehabilitationsmaßnahmen zulasten der beigeladenen Krankenkasse stellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung im
November 2012 fest, dass die Erwerbsfähigkeit des V gemindert sei. Deshalb könne er dauerhaft weder seinen Beruf noch eine
leichte körperliche Tätigkeit mehr ausüben. Die Krankenkasse forderte V sodann auf, bei seiner Rentenversicherung die
Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu beantragen. Den daraufhin gestellten Antrag des V lehnte die Beklagte ab,
da nicht zu erwarten sei, dass Vs Erwerbsfähigkeit durch die beantragte Rehabilitationsmaßnahme wesentlich gebessert oder
wiederhergestellt werden könne.
Hiergegen erhob V vor dem Sozialgericht Heilbronn Klage und nahm auf eigene Kosten ab März 2013 für mehrere Wochen eine
tagesstationäre neurologische Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch.
Das Sozialgericht Heilbronn hat die Beklagte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens verurteilt, der Witwe des V die
entstandenen Rehakosten zu erstatten. Zwar habe V keinen Anspruch auf die Rehabilitationsmaßnahme nach rentenversicherungsrechtlichen
Vorschriften gehabt. Denn bei ihm habe keine positive Erfolgsprognose bestanden, seine Erwerbsfähigkeit zu bessern oder gar
wiederherzustellen. Die Beklagte hätte die Rehabilitationsmaßnahme jedoch nach krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften
gewähren müssen, da sie den Rehabilitationsantrag nicht an die Krankenkasse als zuständigen Rehabilitationsträger
weitergeleitet habe. Hieran ändere auch nichts, dass V den Rehabilitationsantrag nach Aufforderung der Krankenkasse gestellt habe. Die
Rehabilitationsmaßnahme sei auch notwendig gewesen, um die Pflegebedürftigkeit des V zu mindern. Ohne die Rehabilitation
wäre V gehunfähig geworden. Auch hätten sich seine kognitiven Störungen wahrscheinlich noch weiter verschlechtert.
Schließlich seien auch die Grundsätze der Wirtschaftlich- und Sparsamkeit nicht verletzt. Soweit die von V in Anspruch genommenen
Rehaleistungen nach dem Selbstzahlertarif und nicht nach den ggfs. niedrigeren Sätzen für Rehabilitationsträger abgerechnet
wurden, falle dies zulasten der Beklagten. Denn der Berechtigte solle so gestellt werden, wie er bei rechtmäßiger
Leistungsgewährung dastünde. V seien daher seine tatsächlichen Aufwendungen in voller Höhe zu erstatten.
Az.: S 5 R 1812/14 (Urteil vom 17. Januar 2019, nicht rechtskräftig)
Hinweis zur Rechtslage (jeweils auszugsweise in der hier maßgeblichen Fassung):
§ 51 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - [SGB V] - Gesetzliche Krankenversicherung
(1) Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, kann die
Krankenkasse eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur
Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen haben (…).
(3) Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist.
(…)
§ 40 SGB V
(1) Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, (…) erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen
erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen (…). (2) Reicht die Leistung nach Absatz 1 nicht
aus, so erbringt die Krankenkasse erforderliche stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer (…)
zertifizierten Rehabilitationseinrichtung (…).
§ 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - [SGB VI] - Gesetzliche Rentenversicherung
Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, (…) deren
Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert
ist und (…) bei denen voraussichtlich (…) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche
Verschlechterung abgewendet werden kann (…).
§ 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - [SGB IX] – Zuständigkeitsklärung
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei
ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (…). 2Stellt er bei der
Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner
Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. (…).
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest.
(…)
§ 15 SGB IX - Erstattung selbstbeschaffter Leistungen
Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 genannten Fristen entschieden werden, teilt
der Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit. Erfolgt die Mitteilung nicht
oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen
und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Beschaffen sich
Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter
Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Die Erstattungspflicht
besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger (…) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (…).