Das Land Baden-Württemberg hatte einer von ihrem übergriffigen Ehemann verletzten Frau eine Beschädigtenrente
gewährt, diese Entscheidung aber schon nach wenigen Monaten wieder aufgehoben. Zu Recht, wie der 6. Senat des Landessozialgerichts
Baden-Württemberg jetzt entschieden hat.
Die Klägerin war im Rahmen eines Streits Anfang Juni 2019 von ihrem damaligen Ehemann an der Hand verletzt und einige Tage später
bei einem weiteren Streit geschlagen und bedroht worden. Der Ehemann (S.), von dem sich die Klägerin im Jahr 2020 scheiden ließ,
wurde deswegen vom Amtsgericht Hechingen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt.
Das Land Baden-Württemberg – der Beklagte – gewährte der Klägerin im Juli 2021 wegen der psychischen Folgen
dieser Taten eine Beschädigtenrente von ca. 150 € monatlich. Bereits im November 2021 hob der Beklagte die Rentengewährung
wieder auf, da Versagungsgründe vorliegen würden.
Nachdem die Klägerin mit ihrer Klage gegen die Rentenaufhebung zunächst vor dem Sozialgericht Reutlingen obsiegte, gab jetzt in
zweiter Instanz der 6. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg dem Beklagten recht. Leistungen der Opferentschädigung
seien zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung entweder selbst verursacht habe oder wenn es aus sonstigen, insbesondere
aus in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren.
Vorliegend sei die Leistungsversagung insbesondere deshalb gerechtfertigt, da die Klägerin die Ehe mit dem S. trotz wiederholter
Übergriffe fortgesetzt habe. Zwar rechtfertige eine ständige Liebesbeziehung zwischen Täter und Opfer für sich allein
nicht in jedem Fall, Leistungen wegen „Unbilligkeit“ auszuschließen. Wenn aber eine Lebensgemeinschaft fortgesetzt werde,
die mit einer dauernden Gefahrenlage verbunden sei, in der stets mit einer schweren Misshandlung gerechnet werden müsse, könne
keine staatliche Entschädigung im Falle einer Körperverletzung beansprucht werden, wie der Senat unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts klarstellte. Schon durch ein Gewaltschutzverfahren im Jahr 2014 – bei dem die Klägerin
ein Kontaktverbot gegen ihren Ehemann beantragt und erwirkt hatte, den Antrag im Weiteren jedoch zurückgenommen hatte – seien
bereits zu diesem Zeitpunkt Übergriffe des Ehemannes belegt. Das Gewaltschutzverfahren, bei dem die Klägerin von ihrer Tochter
aus erster Ehe und deren Mann unterstützt worden sei, widerlege zum einen, dass sie keine Hilfe erfahren habe und zum anderen, dass
sie niemanden von den Taten habe berichten können. Der Senat verneinte insoweit auch das Vorliegen bedeutsamer wirtschaftlicher oder
familiärer Gründe für die Fortführung der Beziehung, nachdem das von den Eheleuten bewohnte Haus im Eigentum der
Klägerin stehe, diese einer Erwerbstätigkeit nachgehe und die Kinder der Klägerin aus einer vorangegangenen Ehe stammten.
Die Rentengewährung sei schließlich auch deswegen rechtswidrig gewesen, so das Gericht, weil bei der Klägerin keine
Schädigungsfolgen in dem für die Rentengewährung erforderlichen Ausmaß vorlägen.
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Hinweis zur Rechtslage
Der dargestellten Entscheidung liegen noch die am 31. Dezember 2023 außer Kraft getretene Regelungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) zugrunde. Seit dem 1. Januar 2024 gelten für die Versorgung von Opfern von Gewalttaten die Regelungen des Vierzehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Soziale Entschädigung (SGB XIV). Die nachfolgend dargestellte Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG ist durch § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 SGB XIV abgelöst worden.
§ 2 OEG
(1) Leistungen sind zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. […] |