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Auch körpereigene Bewegungen können ein "von außen" auf den Körper des Versicherten einwirkendes Ereignis, und damit einen Unfall, darstellen. Ein Arbeitsunfall liegt in diesem Fall aber nur dann vor, wenn die körpereigene Bewegung den dabei aufgetretenen Gesundheitserstschaden wesentlich (mit-)verursacht hat.

Datum: 21.04.2011

Kurzbeschreibung: 

Der als selbständiger Masseur und medizinischer Bademeister tätige Kläger begehrte die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: Er habe während seiner Tätigkeit beim Anheben eines etwa 75 kg schweren Patienten aus dem Rollstuhl plötzlich Schmerzen in der rechten Schulter verspürt und es habe ein „knallendes Geräusch“ gegeben. Der Durchgangsarzt diagnostizierte als Gesundheitsstörung einen Riss der proximalen langen Bizepssehne rechts. Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk waren bereits zwei Wochen nach dem Ereignis nicht mehr zu objektivieren. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab, weil der Hebevorgang den Riss der langen Bizepssehne nicht wesentlich mit verursacht habe. Vielmehr sei von einem degenerativen Vorschaden auszugehen, weshalb der Hebevorgang lediglich ein rechtlich nicht relevantes Anlassgeschehen darstelle.

Das Sozialgericht Karlsruhe hat die deswegen erhobene Feststellungsklage abgewiesen: Unfälle seien zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Auch körpereigene Bewegungen, selbst wenn sie gewohnt und üblich seien wie Heben, Schieben, Laufen, Tragen usw., können grundsätzlich ein „von außen“ auf den Körper einwirkendes Ereignis sein und damit einen Arbeitsunfall darstellen. Insoweit sei kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Auch alltägliche Vorgänge genügten. Vor diesem Hintergrund habe der Kläger bei dem Anheben des im Rollstuhl sitzenden Patienten zwar einen „Unfall“ erlitten. Gleichwohl habe die Beklagte zu Recht die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall abgelehnt, weil die Kausalität zwischen dem angeschuldigten Geschehen und den von den behandelnden Ärzten diagnostizierten Gesundheitsstörungen an der rechten Schulter nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu begründen sei. Nach dem vom Kläger angegebenen Ablauf des Hebevorgangs habe eine von ihm vollkommen kontrollierte Hebesituation vorgelegen. Eine Ablenkung oder sonstige überraschende Momente seien - abgesehen von der Verletzung der Bizepssehne - nicht aufgetreten. Ein ruckartiges, reflexhaftes Nachfassen mit maximaler Steigerung der Spannung von Muskeln und Sehne als Ursache der Sehnenverletzung habe der Kläger nicht vorgetragen. Der Riss der langen Bizepssehne sei ohne Riss der Muskulatur nach medizinisch-wissenschaftlichem Kenntnisstand nicht wesentlich durch den Hebevorgang bedingt, sondern Folge anlage- und altersbedingter Abnutzungserscheinungen. Dem angeschuldigten Geschehen komme deswegen allein der Stellenwert eines unfallversicherungsrechtlich bedeutungslosen Anlassgeschehens bzw. einer Gelegenheitsursache zu. Dies reiche für die Feststellung eines Arbeitsunfalls nicht aus (Urteil vom 21.04.2011 - S 1 U 3415/10 -).

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