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Keine Entschädigung für die lange Dauer eines Gerichtsverfahrens bei rechtsmissbräuchlichen Klagen

Datum: 20.02.2013

Kurzbeschreibung: In einem aktuellen Urteil vom 20.02.2013 hat der 2. Senat des Landessozialgerichts entschieden, dass kein Entschädigungsanspruch für eine vergleichsweise lange Ver-fahrensdauer besteht, wenn das Verfahren für den Kläger offensichtlich keine relevante Bedeutung hatte und ein Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht feststellbar ist.

 

In einem aktuellen Urteil vom 20.02.2013 hat der 2. Senat des Landessozialgerichts entschieden, dass kein Entschädigungsanspruch für eine vergleichsweise lange Verfahrensdauer besteht, wenn das Verfahren für den Kläger offensichtlich keine relevante Bedeutung hatte und ein Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht feststellbar ist.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt waren die Kläger, eine aus sechs Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II („Hartz IV“), aufgefordert worden, die Kosten ihrer Unterkunft zu senken, wogegen sie Widerspruch einlegten. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, da es sich bei dem Aufforderungsschreiben nicht um einen Verwaltungsakt handele. Im Februar 2008 erhoben die Kläger deswegen Klage beim Sozialgericht Freiburg. Das Sozialgericht wies die Kläger im Juli 2008 auf eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 27.02.2008, Aktenzeichen B 14/7b AS 70/06 R) hin, wonach es sich bei Kostensenkungsaufforderungen nicht um Verwaltungsakte handele, und die Anfechtungsklage zum Sozialgericht daher nicht gegeben sei. Dennoch bewilligte das Sozialgericht den bedürftigen Klägern Prozesskostenhilfe, da deren Rechtsauffassung zumindest vertretbar erscheine.
Der Klägerbevollmächtigte rügte im März 2010 die über zwei Jahre lange Verfahrensdauer, die nicht mehr hinnehmbar sei. Das Sozialgericht teilte daraufhin mit, dass die zuständige Richterin in ein anderes Bundesland gewechselt habe und vorübergehende Verzögerungen wegen der erforderlichen Neubesetzung der Stelle nicht ausgeschlossen werden könnten. Mit Urteil vom 30.09.2011 wies das Sozialgericht die Klage als unzulässig ab, wobei insbesondere auf die den Klägern bekannte Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.02.2008 (s. o.) zur Unzulässigkeit von Klagen in den vorliegenden Fallkonstellationen hingewiesen wurde.
Im April 2012 haben die Kläger vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg Klage wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben. Das Landessozialgericht hat die Klagen mit Urteil vom 20.02.2013 abgewiesen. Zwar habe das Verfahren vor dem Sozialgericht insgesamt vergleichsweise lange gedauert. Eine allgemeine Zeitvorgabe für eine angemessene Verfahrensdauer lasse sich aber dem Gesetz nicht entnehmen, so dass er hierfür auf die Gesamtumstände des Verfahrens ankomme. Hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrens hätten die Kläger zwar geltend gemacht, die streitige Rechtsfrage hätte eine existenzielle Bedeutung gerade für Hartz-IV-Empfänger. Dieser behaupteten Bedeutung des Verfahrens sei aber das eigene Verhalten der Kläger nicht gerecht geworden, denn diese hätten auf die gerichtliche Aufforderung zur Stellungnahme zu den angemessenen Unterkunftskosten nicht mehr reagiert. Zudem sei die behauptete besondere Bedeutung bzw. das besondere Interesse an einer verfassungsrechtlichen Klärung der Frage zum Charakter der Kostensenkungsaufforderung im gesamten Verfahren vor dem Sozialgericht an keiner Stelle auch nur ansatzweise von Klägerseite dargetan worden. Dies wäre gerade auch vor dem Hintergrund der mehrfachen vorliegenden Urteile des Bundessozialgerichts zu dieser Rechtsfrage um so mehr zu erwarten gewesen. Aufgrund dieser besonderen Umstände sei trotz der vergleichsweise langen Verfahrensdauer ein Entschädigungsanspruch zu verneinen.

Urteil vom 20.02.2013 - Aktenzeichen L 2 SF 1495/12 EK

Gerichtsverfassungsgesetz
§ 198


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
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Philipp Stark

Richter am Landessozialgericht

- Pressesprecher -

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