Navigation überspringen

Sozialgericht Karlsruhe gewährt die Versorgung mit einer stationären Brustverkleinerungsoperation zu Lasten der Krankenkasse

Datum: 05.04.2022

Kurzbeschreibung:     

Bei anhaltenden Brust- und Halswirbelsäulenbeschwerden kann im Einzelfall ein Anspruch auf eine Brustverkleinerung bestehen. Dies entschied das Sozialgericht Karlsruhe im Fall einer 42-jährigen gesetzlich krankenversicherten Klägerin und gab deren Klage statt.

Bei der 42-Jährigen Klägerin besteht bereits seit Abschluss des Brustwachstums eine Mammahyperplasie (vergrößerte Brust) beidseits. Sie leidet unter anderem an chronischen Schmerzen in der Hals- und Brustwirbelsäule. Die zunächst durchgeführte Krankengymnastik und insbesondere intensives spezielles Rückenkräftigungstraining sowie eine ambulante Schmerztherapie führten nicht zur Linderung der Beschwerdesymptomatik. Nachdem die behandelnden Ärzte, insbesondere die Gynäkologin und der Orthopäde, die Indikation für eine Brustverkleinerungs-Operation bejahten, beantragte die Klägerin diese bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse.

Die Krankenkasse der Klägerin war jedoch nicht bereit die Kosten zu übernehmen. Als weitere Therapieoption stehe die Reduzierung des Körpergewichtes zur Diskussion. Es bestehe ein pathologischer Zusammenhang zwischen der bei der Klägerin festgestellten Adipositas und der Größe der Brust. Zudem sei zumindest zweifelhaft, ob eine Besserung der Beschwerden nach der Brustverkleinerung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintrete, da die Größe der Brüste nur eine der Ursachen für die Schmerzsymptomatik darstelle. Bei dieser Sachlage sei eine Kostenübernahme der beantragten Brustverkleinerung nicht möglich.

Mit seinem heute veröffentlichten Urteil vom 08.03.2022 (S 16 AS 2698/20) gab das Sozialgerichts Karlsruhe der Versicherten Recht. Zwar ergebe sich nicht allein im Hinblick auf die Größe der Brüste an sich eine behandlungsbedürftige Krankheit. Allerdings bestünden anhaltende Brust- und Halswirbelsäulenbeschwerden, wofür (auch) die Größe der Brüste ursächlich sei. Eine Heilung der Krankheiten durch die Brustverkleinerung sei zwar nicht möglich, aber deren Verschlimmerung könne hierdurch verhütet und Beschwerden gelindert werden. Alternative Therapieoptionen bestünden nicht. Mit der von der Beklagten empfohlenen Gewichtsabnahme könne die zu entfernende Brustgewebsmenge pro Seite nicht erreicht werden. Ambulante Möglichkeiten seien ausgeschöpft.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; es kann von der Beklagten mit der Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg in Stuttgart angefochten werden.

 

Hinweise auf einschlägige Rechtsvorschriften

 

Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung

 

§ 27 SGB V – Krankenbehandlung

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst

1. Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,

5. Krankenhausbehandlung,

 

§ 39 SGB V Krankenhausbehandlung

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre oder stationsäquivalente Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams. Sie entspricht hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

Diese Website verwendet Cookies. Weitere Informationen erhalten Sie unter Datenschutz.